1325. König Abel's Jagd.

[1066] (Nach d. Chron. Slesvic. bei Menken. Script. T. III. p. 597 u. Thiele, Danmarks Folkes. Th. I. S. 124, bei Müllenhoff S. 362 etc.)


Nachdem König Abel, der Mörder seines Bruders Erich, von den Friesen am Milderdamm erschlagen worden war, ward seine Leiche nach Schleswig[1066] gebracht und dort im Dome zu St. Peter beigesetzt. Aber gleich in der nächsten Nacht erhob sich ein solches Lärmen mit Gekrach und Geknirsch in der Kirche, daß es den erschreckten Stiftsherren nicht möglich war, ihre Psalmen und die gebräuchlichen nächtlichen Gebete abzusingen und herzusagen, indem eine greuliche Erscheinung sie störte und ängstigte. Als sich das nun so mehrere Male wiederholte und es der verwittweten Königin hinterbracht worden war, ward beschlossen, den Leichnam des Königs herauszunehmen, ihn zur Kirche hinauszuschaffen und an einem andern Orte zu begraben. Die Leiche ward nun in einen Sumpf des Pölerwaldes, der nahe bei Gottorp liegt, eingesenkt, nachdem ein Pfahl durch den Sarg geschlagen war. Dieser Ort wird bis auf den heutigen Tag gezeigt und heißt das Königsgrab. Von jenem Tage an, versichern die Alten, hätten die Erscheinungen und Gespenster und das Lärmen in der Kirche aufgehört. Aber an dem Orte, wo der König jetzt begraben ist, und den nahegelegenen, läßt sich seit der Zeit, früher und noch in unseren Tagen, ein entsetzliches Getöse hören. Das wissen alle Leute, denn oft sind welche, die des Nachts kamen, erschreckt und dadurch in Todesangst gebracht worden. Glaubwürdige Männer berichten und versichern, daß gar oft die Stimme des Jägers und sein Hornblasen vernommen werde, und zwar so deutlich, daß man sagen würde, es jage da Jemand, und das ist oft von den Wachen in Gottorp bei Nacht beobachtet worden. Aber auch, daß Abel selbst in unseren Tagen sich gezeigt habe und gesehen worden sei, sagen die Leute allgemein; er ist im Gesicht und am ganzen Körper kohlschwarz, er reitet auf einem kleinen Pferde und wird von drei Jagdhunden begleitet, die man oft in feuriger Gestalt glühen sieht.

Einst kam ein Bauer aus Schuby heimgefahren vom Markte, der hatte wohl ein wenig zu viel getrunken. Da hörte er das Hurrahrufen, das Peitschenknallen und das Schnauben und Pusten der feurigen Rosse und Hunde. Er rief den König Abel an, und auf vieles Bitten erlaubte ihm dieser, an der Jagd Theil zu nehmen. Da mußte er nun mit der wilden Schaar fort, man gab ihm Pulver und Flinte, und er schoß Hasen genug. Als die Jagd aber gegen Morgen beendet war, bat er König Abel um ein Stück Wild mit nach Hause zu nehmen, und dieser warf ihm auch eine schwere Last auf den Wagen, indem er sagte: »Da hast Du einen Braten, viel zu gut für einen Bauer!« Als der Bauer nun nach Hause kam, fragte seine Frau, wo er so lange gewesen sei. Da erzählte er, wie er mit König Abel auf der Jagd gewesen sei und habe auch ein Paar Hasen oder eine Hirschkeule mitgebracht. Da sah die Frau nach, aber was fand sie? Es war keine Hirschkeule, sondern die Keule von einem Pferdeaas.

Die Statue König Abels, mit Hunden umgeben, ist bis auf diese Stunde im Schloßgarten zu Schleswig zu sehen.

Vor langen Jahren, wo noch viel Wald um das Dorf Dannewerk war, und die Bauern ihr Vieh darin weiden zu lassen pflegten, ward einmal von ihrem Herrn eine Magd von da hingeschickt, sie sollte nach den Kühen sehen. Als sie zwischen die Bäume kam, hörte sie auf einmal ein ungeheures Rumoren in der Luft. Da kam König Abel mit seiner Jagd herangezogen. Er hatte zehn Hunde bei sich, alle ganz weiß, die hatten feurige Zungen aus den Hälsen hängen. Da dachte die Dirne: »Ach, nun bist Du hier so ganz allein, was soll das geben?« Sie hatte aber eine weiße Schürze um,[1067] die band sie ab und wickelte sich dieselbe um den Kopf und setzte sich unter einen großen Baum und weinte. König Abel kam nun mit großem Geräusch an sie heran, allein er jagte vorüber, von den Hunden aber kam einer an sie heran, sprang ihr auf den Schooß und blieb da ganz ruhig liegen. Als jetzt der Spektakel aus war, so nahm sie den Hund mit nach Dannewerk, dort sind jetzt noch Hunde von seiner Raçe, aber König Abel hat seit der Zeit nur noch neun Hunde.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1066-1068.
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