497. Die heilige Eiche zu Romove.

[522] (S. Lucas David Th. I. S 25 etc. 92. Waissel a.a.O. S. 17. Hartknoch, Alt- und Neu-Preußen [mit Abbildung] S. 117. 130 etc. Henneberger S. 463 etc. Erläut. Preußen Th. III. S. 284 etc. Temme S. 20 etc.)


In dem Lande Preußen, da wo nachher das Kloster der h. Dreifaltigkeit stand, befand sich ehedem der Ort Rickayot83 oder Romove. Der Name soll daher kommen, daß die alten Preußen einst einen Feldzug nach Rom machten und als sie von da zurückkehrten, hier zum Andenken eine Stadt gründeten, welche sie Rom, Romahoon nannten. Dort stand eine Eiche, sechs Ellen dick, zwergüber gemessen, oben sehr breit und so dicht, daß weder Regen noch Schnee hindurch konnte, denn sie hat auch im Winter ihr Laub behalten und ist grün geblieben. In dem Stamme waren aber unter den Aesten drei Abtheilungen, in welchen die drei Hauptgötter in gleicher Höhe standen, oder es sind aus dem Stamme drei große Aeste gleich herausgegangen, welche hernach in der Höhe wieder zusammengewachsen84 waren; diese sind denn so mit Laub bedeckt gewesen, daß an einem jeden Ast ein Götzenbild sicher vor dem Schnee und Regen hat stehen können. Ein ähnlicher Eichbaum in einem Walde bei Insterburg hat bis zum Jahre 1664, wo ihn ein Blitzstrahl vernichtete, gestanden.

In der einen Abtheilung stand nun das Bild des Götzen Pickollos oder Potollos, mit einem langen grauen Barte, bleicher Todtenfarbe, mit einem weißen Tuche gekrönt, von unten auf sehend. Seine Verehrung waren Todtenköpfe von Menschen und Vieh, an den hohen Festen brannte man ihm aber Talg in Töpfen an. Dieser trieb aber ein Spuk in den Häusern der Reichen und wenn nun Jemand darin gestorben war und man den Göttern nicht viel opfern wollte, da plagte er die Leute des Nachts und so er zum dritten Male kam, mußte man ihm Menschenblut opfern. Dann schnitt sich der Weydelot in den Arm, daß er blutete, und hörte man in der Eiche brummen, so war dies ein Zeichen, daß er versöhnt war. Perckunos hatte die zweite Zelle inne, er war wie ein zorniger Mann, roth wie Feuer, mit Feuerflammen gekrönt, mit einem krausen und schwarzen Barte und sah den Potrimpo zornig an. Dem mußte man stets ein Feuer mit trockenem Eichenholz halten, womit man die Opfer verbrannte, ging aber das Feuer aus, so kostete es dem Weydelotten, der es bewachte, den Hals. Potrimpo, der dritte, war ein junger Mann, ohne Bart, gekrönt mit Kornähren, fröhlich lachend. Sein Kleinod war eine Schlange in einem großen Topfe, mit Milch von den Weydelotten ernährt und mit Getreidegarben bedeckt. Diesem brannte man Wachs und auch Weihrauch an. Auch wurden ihm zu Ehren Kinder getödtet. Um diese Eiche drei Schritte entfernt wurden schöne Tücher sieben Ellen hoch aufgehangen, und es durfte Niemand ohne ihren Kirwayte oder den obersten Weydelotten hineingehen. So aber Jemand kam sein Opfer zu thun, nahm man den Vorhang weg oder zog ihn bei Seite, so daß man hineinsehen konnte. Bei dieser Eiche wohnte der Kirwayte, auch waren ringsherum Häuser für die Weydelotten, die hier dem Dienst[523] der Götter oblagen und Romove war lange die Hauptstadt von Preußen. Um das Jahr 1015 ist Boleslaus Chrobri der König von Polen in Preußen eingefallen und hat Romove verwüstet und ihre Götter verbrannt, allein nach seinem Abzuge machten sich die Preußen andere Bilder.

Nun war aber ein Fürst in der Masau, der buhlte mit der Frau eines Adligen, zwar warnte Letzterer denselben, allein vergebens, einst traf er sie bei einander. Er hatte gerade einen Spieß in der Hand, wie es damals die Sitte bei den Edeln und woran man sie auch erkannte, mit dem durchbohrte er den Fürsten und die Ehebrecherin und floh nach Preußen, wo er sich bei dem Kirwayten zu Romove versteckte. Die Brüder des Fürsten aber machten sich auf ihn zu verfolgen und zogen mit großer Heeresmacht nach Romove, schlossen den Kirwayten und die Weydelotten in ihren Wohnungen ein und verbrannten sie sammt denselben. Den Edeln aber, der ihren Fürsten erstochen, brachten sie aufs Jämmerlichste um und raubten dann so lange im Lande, bis sich die Preußen sammelten und sie aus dem Lande trieben und nach einem zehn Jahre dauernden Kriege sie nöthigten Frieden zu machen und ihre Götter wieder zu versöhnen.

An diesem Orte hat die betreffende Eiche noch lange gestanden und ist im Geheimen von den Preußen, selbst nachdem sie Christen geworden waren, angebetet worden. Wenn ein Mensch oder ein Stück Vieh eines von den Blättern am Halse trug, glaubten sie, könne denselben kein Unglück treffen. Darauf ließ auf Bitten des Bischofs von Ermeland der Hochmeister Winrich von Knieprode die Eiche durch den Marschall Heinrich Schindekopf umhauen und an ihrer Stelle erbaute Petrus Nugol von Sohr ein Kloster zur h. Dreifaltigkeit, allein der Pfarrer Christoph Henneberger erzählt, die dort aufhältlichen Mönche seien durch ihre Trunksucht berüchtigt gewesen, er habe zu Domnozu noch eine zinnerne Kanne gesehen, aus der sie ihren Schlaftrunk nahmen, die er leer kaum aufheben konnte.

Ob nun wohl die Eiche zerstört war, so war es doch an jener Stelle lange noch nicht recht geheuer, woran wohl das viele hier von Menschenopfern vergossene Blut Schuld haben mochte. Man hörte dort plötzlich Sausen und Stürmen in der Luft, gerade als wenn die Eiche noch stehe und ihre blätterreichen Aeste bewege. Gleichzeitig erhoben sich hier oft Ungewitter mit heftigem Donnern und Blitzen. Dabei ließen sich allerlei schreckliche Gestalten sehen, welche bald wie Waldmänner, bald wie Drachen oder Schlangen oder Feuerballen ausschauten. Denselben unheimlichen Spuk trieb aber der Teufel in dem Kloster selbst, um die Mönche zu ängstigen und so ließen sie denn einen Teufelsbanner aus Deutschland kommen um den Bösen zu vertreiben. Dieser verfertigte aus reinem Golde ein Crucifix, etwa eines Fingers lang, und einen dreieckigen Ring, auf welchem er vielerlei Worte eingrub und vergrub Beides unter dem Eckstein der Kirche. Seitdem ließ aber der Teufel Ort und Kloster in Ruhe. Später ward das Kloster zur h. Dreifaltigkeit ebenso zerstört, wie die alte Stadt Romove, allein als im Jahre 1708 der Herr von Killitz zu Groß-Waldeck, der Besitzer des Grund und Bodens allda, einige Mauerstücke des zertrümmerten Klosters abbrechen ließ, fand man das Crucifix und den Ring unter den Trümmern und dieser Edelmann schenkte Beides der Stadt Königsberg, die Worte aber, welche auf dem Ringe stehen, konnte Niemand lesen.

83

Nach Andern wäre Rykajoth der Ort, wo die kleinen, Romove der, wo die großen Götter verehrt wurden, gewesen.

84

Davon käme nach Einigen der Name Romove, denn ruomot heißt im Altpreußischen: zusammenwachsen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 522-524.
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