720. Die Entstehung des Namens Posen.

[653] (S. Bergenroth, Croquis von Posen. Posen u. Berlin 1845 Th. I. S. 17.)


Als die Germanen die Slawen lange vor der Zeit Karls d. Gr. aus Deutschland vertrieben, suchten sich die Heerführer derselben ein neues Vaterland. Auch die Brüder Lech, Czech und Rus waren auseinander gesprengt worden und irrten in der weiten Welt umher. Nun begab sich aber im Lande der Varinen an dem Ufer der Warthe ein absonderliches Ereigniß. Drei schon ziemlich bejahrte, aber noch kraftvolle bärtige Männer schritten durch Dick und Dünn, jeder einzeln für sich heran und trafen, ohne auch nur das Geringste von einander zu ahnen, nicht nur zu einer und derselben Stunde, sondern sogar in derselben Minute trinkenshalber an einem Flusse, der heute noch Cybina heißt, zusammen und schöpften das Wasser mit der hohlen Hand. Als sie sich in die Augen sahen, vermochte Keiner von ihnen ein Wort herauszubringen. Der Wille einer höhern Macht hatte hier jene drei Brüder wieder zusammengeführt. Sie erkannten sich alsbald und riefen, Alle mit einem Male: »Poznaje!« Da nun aber drei Kraniche über ihren Köpfen kreisten, dann sich plötzlich unter großem Geschrei von einander trennten und nach verschiedenen Himmelsgegenden fortzogen, so entstanden bald Gedanken in den Köpfen der Brüder über die herbeizuführende Wiedervereinigung ihrer Völker, sie sammelten bald eine sehr große Anzahl streitbarer Männer,[653] um sich und erbauten an jener Stelle der Cybina, wo sie auf so wunderbare Weise zusammengetroffen waren, Häuser und nannten den Ort Poznań, von dem Worte poznać (erkennen), woraus dann später das deutsche Wort Posen geworden ist.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 653-654.
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