[von Sigmung von Birken]

[41] Hände von weiß-seidnem Flor /

(die die Hände der Natur

mit saffirnen Fäden sticken / )

betet an / die Männer-welt:

jeder will auf dieses Feld

einen Lieb- und Ehrkuß drücken,

Was soll wohl alsdann geschehn /

wann die schöne Hand so schön

schreibt ein geistigs Kunstgedichte?

wer kein Mopsus ist / der richte.


Eine Schnee-Alpaster-Stirn

(die mit güldnem Locken-zwirn

Sonne-strahlend ist behangen / )

Männer-hertzen an sich rückt:

jeder wünschet sich bestrickt

und in dieses Netz gefangen.

Wie / wann unter Haar und Stirn

wohnt ein göttlichs Geist-Gehirn?

ach die selbste Lieb / zu lieben

so ein Bild / sich fühlt getrieben.


Ein Corall-gezinkter Mund /

redt und lacht die Hertzen wund.

Stirn-gestirne / die da winken

aus des Aug-runds schwarzer Nacht /

machen / durch die Einfluß-Macht /

Männer-augen Liebe trinken.

Noch mehr Feur dem Hertzen gibt /

wann das Aug ein Kunstbuch liebt /[42]

wann der Engel-Mund erklinget

und gantz Englisch redt und singet.


Von des Hertzens doppel-wall /

schallt der Liebe Gegenschall /

alle Hertzen an sich neiget;

wo der Rosen-Busem bebt /

sich mit lindem Athem hebt /

sein beseeltes Marmor zeiget.

Diß der Liebe Vestung ist /

da sie brüstet sich und rüst /

da sie Pfeile pflegt zuschärffen:

alles ihr zu unterwerffen.


Aber / wann diß Herzen-dach

deckt der Tugend Schlaffgemach /

ist der Keuschheit Pfortenrigel;

wann darinn Gotttempel thront;

wann der Künste-Geist bewohnt

diese zween Parnassus-hügel:

wer wolt halten nicht hochwehrt

so ein göttlichs Bild der Erd?

wer wolt nicht / von ihm zulesen /

achten vor ein himmlisch Wesen?


Schönste Freulein / schönster Geist /

(wie Euch dieses Buch uns weist / )

Künste-Fürstin / Dichter-Krone!

Ihr giest Geist und Flammen ein.

Alle Welt Poet soll seyn /

daß man Eurer Tugend lohne.[43]

Adel unsrer Dichter ey!

Euer Lob der Inhalt sey

forthin unsrer bästen Lieder /

fließ' in seinen Einfluß wieder.


Nürnb. den 30. Jan. A. 1662.


Mit diesem Opfer hat sich der Hochfürtrefflichen Teutschen Kunst-Göttinn zu Gnaden empfehlen sollen

der Erwachsene.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. XLI41-XLIV44.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon