[302] 1.
Mein Unglück weiß es wol /
daß ich es würd verklagen:
drum läst es mich nichts sagen /
daß mans nicht wissen soll.
Es wehrt auf alle Weise
die hohe Feder-Reise:
jedoch gelingts ihm nicht;
Beständigkeit durchbricht /
2.
Will in der Unglücks-Klag
mich nicht gar lang auf halten /
den Himmel lassen walten:
er weiß den Endschaffts-Tag.
Es muß / es muß vergehen /
solts noch so lang anstehen.
Es ist der Endlichkeit /
wie alles / unterbreit.
3.
Ob ich schon seufz' und wein'
in dessen in den Banden /
so wird es doch zu schanden
noch über meiner Pein:[303]
in dem es muß empfinden
der Tugend überwinden!
und sehen seine Macht
von selber ganz veracht.
4.
Kanst / böses Unglück / nichts
als Kunst und Tugend plagen?
must endlich doch verzagen
an leschung ihres Liechts!
Sie sitzen dir zu ferne /
im Schos der guten Sterne;
verlachen deinen Fleiß /
im sichern Himmel Kreiß.
5.
Ach Tugend halt dich wol!
nach langem Streit und Streben /
wird dich der Höchst' erheben /
daß dichs nit reuen soll.
Zwar darff' es kein anfrischen:
du würdest eh verflischen
in deiner Himmel-Brunst /
als achten ihren Dunst.
[304]
6.
Es wird noch eine Zeit
aus der Versehung kommen /
der Eitelkeit entnommen /
in der mit voller Freud
die Tugend selbst wird richten /
was sie hier wolt vernichten.
Mit Füssen wird sie gehn
auf ihrem Widerstehn.
7.
Verharre nur mein Herz /
bey ihren edlen Fahnen.
laß dich mit ihr verbannen
zu aller Noht und Schmerz /
Der Lorbeer wird sich schwingen /
dir Glanz und Krantz zubringen
üm dein bedörntes Haubt /
dem Unglück ganz entraubt.
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
|
Buchempfehlung
Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro