19. Auf eben dasselbe

[302] 1.

Mein Unglück weiß es wol /

daß ich es würd verklagen:

drum läst es mich nichts sagen /

daß mans nicht wissen soll.

Es wehrt auf alle Weise

die hohe Feder-Reise:

jedoch gelingts ihm nicht;

Beständigkeit durchbricht /


2.

Will in der Unglücks-Klag

mich nicht gar lang auf halten /

den Himmel lassen walten:

er weiß den Endschaffts-Tag.

Es muß / es muß vergehen /

solts noch so lang anstehen.

Es ist der Endlichkeit /

wie alles / unterbreit.


3.

Ob ich schon seufz' und wein'

in dessen in den Banden /

so wird es doch zu schanden

noch über meiner Pein:[303]

in dem es muß empfinden

der Tugend überwinden!

und sehen seine Macht

von selber ganz veracht.


4.

Kanst / böses Unglück / nichts

als Kunst und Tugend plagen?

must endlich doch verzagen

an leschung ihres Liechts!

Sie sitzen dir zu ferne /

im Schos der guten Sterne;

verlachen deinen Fleiß /

im sichern Himmel Kreiß.


5.

Ach Tugend halt dich wol!

nach langem Streit und Streben /

wird dich der Höchst' erheben /

daß dichs nit reuen soll.

Zwar darff' es kein anfrischen:

du würdest eh verflischen

in deiner Himmel-Brunst /

als achten ihren Dunst.
[304]

6.

Es wird noch eine Zeit

aus der Versehung kommen /

der Eitelkeit entnommen /

in der mit voller Freud

die Tugend selbst wird richten /

was sie hier wolt vernichten.

Mit Füssen wird sie gehn

auf ihrem Widerstehn.


7.

Verharre nur mein Herz /

bey ihren edlen Fahnen.

laß dich mit ihr verbannen

zu aller Noht und Schmerz /

Der Lorbeer wird sich schwingen /

dir Glanz und Krantz zubringen

üm dein bedörntes Haubt /

dem Unglück ganz entraubt.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 302-305.
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