30. Ergebung In Göttliche Regierung

[329] 1.

JESU / meine süsse Freud /

Hoffnung / Heil / und ganzes Leben!

wer solt deiner Gütigkeit

doch nit gänzlich sich ergeben:

wann mich Unglücks Sturm und Wind

an die Zweiffels-Klippen schmeisset /

des Trostschiffleins Wand zerreisset:

fängest du mich auf geschwind.


2.

Wann ich in dem Irrgang bin

vieler Sorgen und Gefärden /

und nicht weiß wo aus wo hin /

find' auch keine Schnur auf Erden;

kan ich bald in deinem Wort

eine Wunderführung finden;

kan mich aus-und überwinden /

durch dich / meinen starken Hort.


3.

Wann der Himmel über mir

ganz von Zornes-Donner krachet /

und die Erde mit Begier[330]

ihren Schlund nach mir aufmachet:

bleib' ich doch in gutem Stand /

laß mich ihrer Macht Vermögen.

im geringsten nicht bewegen.

was mich schutzt / ist seine Hand.


4.

Wie die Sonn den Erden-Kreiß

täglich neu mit Glanz bemahlet:

so des Höchsten Wunder-Preiß /

uns auch stündlich neu bestrahlet.

Wir sind seiner Güte Ziel:

seinem Raht pflegt zu belieben /

Weißheit / Allmacht / Recht zu üben /

offt zu halten manches Spiel.


5.

Er beginnt mit meinem Geist /

nach der Spiel-Art mit dem Ballen:

der bald in die Lufft auffreist /

bald auch muß zur Erden fallen.

Beedes ist sein Will und Werk':

ihn laß' ich mich / nach verlangen /

schwingen / werffen / wider fangen.

Er war / ist / und bleibt mein Stärk'.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 329-331.
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