[Wieviel weisst du, o Mensch, der Schöpfung König]

[292] Wieviel weisst du, o Mensch, der Schöpfung König,

Der du was sehbar siehst, was meßbar mißt.

Wieviel weißt du! und wieder, ach, wie wenig,

Weil, was erscheint, doch nur ein Äußres ist.


Und steigst du in die Tiefe der Gedanken,

Wie findest du den Rückweg in die Welt?

Du armer König, dessen Reiche schwanken,

Der eine Krone trägt, allein kein Szepter hält.


Zu dem Gewölb von deinen strengen Schlüssen,

Stellt sich der Schlußstein nun und nimmer ein,

Und die Empfindung, Flügel an den Füßen,

Entschwebt der Haft und ruft hinfliegend: Nein!
[292]

Denn etwas ist, du magsts wie weit entfernen,

Das dich umspinnt mit unsichtbarem Netz,

Das, wenn du liebst, du aufschaust zu den Sternen,

Dich unterwerfend dasteht als Gesetz.

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 292-293.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gedichte und Dramen
Medea: Trauerspiel in fünf Aufzügen. Dritte Abteilung des dramatischen Gedichts »Das Goldene Vlies«
Das goldene Vliess: Dramatisches Gedicht in drei Abteilungen. (Der Gastfreund, Die Argonauten, Medea)
Gedichte Reclam
Sämtliche Werke: Erster und zweiter Band: Gedichte