Erklärung eines Kupfers in dem Taschenbuche Vesta fürs Jahr 1833, ein kleines Mädchen mit einer Taube, daneben eine Katze, vorstellend

[208] Ach du schöne, weiße Taube,

Zitterst du gleich Espenlaube,

Schmiegst dich bang mit scheuem Sinn

An die holde Schützerin?


Wohl mit Recht warnt dieses Zagen! –

Vieles darf der Starke wagen.

Gierde lauert, Unschuld weint,

Und ich sehe deinen Feind.


Einen nur der langen Reihe,

Adler, Falke, Sperber, Weihe,

Glatt und kraus, mit Streif und Stern,

Alle fressen Täubchen gern.


Selbst die Katze krümmt den Rücken,

Zwar vor solchen Feindes Tücken

Schützt ein rascher Flügelschlag,

Auch ist wohl ein Engel wach.


Aber auch die Engel schlafen,

Und will Gott am härtsten strafen,

Zeigt der Feind geflügelt sich.

Täubchen, Mädchen, hüte dich!

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 208.
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