Das einunddreitzigste Kapitel.

[78] Simplex sein Kunst einmal fleißig probiert,

Welche macht, daß er wird tapfer geschmiert.


Als ich dergestalt mit einem Teller in der Hand vor der Tafel aufwartete und in meinem Gemüt von allerhand Tauben und werklichen Gedanken geplagt ward, ließ mich mein Bauch auch nicht zufrieden, er kurrete und murrete ohn Unterlaß und gab dadurch zu verstehen, daß Bursch in ihm vorhanden wären, die in freien Luft begehrten; ich gedacht, mir von dem ungeheuren Gerümpel abzuhelfen, den Paß zu öffnen und mich dabei meiner Kunst zu bedienen, die mich erst die vorig Nacht mein Kamerad gelernet hatte. Solchem Unterricht zufolg hub ich das linke Bein samt dem Schenkel in alle Höhe auf, druckte von allen Kräften, was ich konnte, und wollte meinen Spruch »Je pète« zugleich dreimal heimlich sagen. Als aber der ungeheure Gespann, der zum Hindern hinauswischte, wider mein Verhoffen so greulich tönete, wußte ich vor Schröcken nicht mehr, was ich täte: mir ward einsmals so bang, als wann ich auf der Leiter am Galgen gestanden wäre und mir der Henker bereits den Strick hätte anlegen wollen, und in solcher gählingen Angst so verwirret, daß ich auch meinen eigenen Gliedern nicht mehr befehlen konnte, maßen mein Maul in diesem urplötzlichen Lärmen auch rebellisch wurde und dem Hindern nichts bevorgeben noch gestatten wollte, daß er allein das Wort haben, es aber, das zum Reden und Schreien erschaffen, seine Reden heimlich brummlen sollte. Derowegen ließ solches dasjenige, so ich heimlich zu reden im Sinn hatte, dem Hindern zu Trutz überlaut hören, und zwar so schröcklich, als wann man mir die Kehle hätte abstechen wollen. Je greulicher der Unterwind knallete, je grausamer das »Je pète« oben herausfuhr, gleichsam als ob meines Magens Ein- und Ausgang einen Wettstreit miteinander gehalten hätten, welcher unter ihnen beiden die schröcklichste Stimme von sich zu donnern vermöchte. Hierdurch bekam ich wohl Linderung in meinem Eingeweid, dargegen aber einen ungnädigen Herrn an meinem Gouverneur. Seine Gäste wurden über diesem unversehenen Hall, Trompetenschall und hintern Kartaunenknall fast wieder alle nüchtern; ich aber, weil ich mit aller meiner angewandten Mühe und Arbeit keinen Wind bannen können, in eine Futterwanne gespannet und also zerkarbäitscht, daß ich noch bis auf diese Stunde daran gedenke. Solches waren die erste Bastonaden, die ich kriegte, seit ich das erstemal Luft geschöpft, weil ich denselben so abscheulich verderbt hatte, in welchem wir doch gemeinschaftlicherweise[78] leben müssen. Da brachte man Rauchtäfelein und Kerzen, und die Gäste suchten ihre Bisemknöpfe und Balsambüchslein, auch sogar ihren Schnupftabak hervor, aber die beste Aromata wollten schier nichts erklecken. Also hatte ich von diesem Actu, den ich besser als der beste Komödiant in der Welt spielte, Friede in meinem Bauch, hingegen Schläg auf den Buckel, die Gäste aber ihre Nasen voller Gestank und die Aufwarter ihre Mühe, wieder einen guten Geruch ins Zimmer zu machen.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 78-79.
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