Das sechzehnte Kapitel.

[125] Simplex ein treffliche Beute erschnappet,

Als ein Waldbruder viel Speisen ertappet.


Mein Handel und Wesen ward aber allem Ansehen nach je länger je ärger, ja so schlimm, daß ich mir einbildete, ich sei nur zum Unglück geboren; dann ich war wenig Stunden von den Kroaten hinweg, da erhascheten mich etliche Schnapphahnen. Diese vermeinten ohn Zweifel, etwas rechts an mir gefangen zu haben, weil sie bei finstrer Nacht mein närrisch Kleid nicht sahen und mich gleich durch zween aus ihnen an einen gewissen Ort weit hinein in Wald führen lassen. Als mich diese dahin brachten und es zugleich stockfinster ward, wollte der eine Kerl kurzum Geld von mir haben. Zu solchem Ende legte er seine Handschuh samt dem Feuerrohr nieder und fieng an, mich zu visitieren, fragende: »Wer bist du? Hast du Geld?« Sobald er aber mein haarig Kleid und die lange Eselsohren an meiner Kappe (die er vor Hörner gehalten) begriff und zugleich die hellscheinende Funken (welche gemeiniglich der Tiere Häute sehen lassen, wann man sie in der Finstre streichet) gewahr ward, erschrak er, daß er ineinanderfuhr. Solches merkte ich gleich; derowegen striegelte ich, eh er sich wieder erholen oder etwas besinnen konnte, mein Kleid mit beiden Händen dermaßen, daß es schimmerte, als wann ich inwendig voller brennenden Schwefels gestocken wäre, und antwortete ihm mit erschröcklicher Stimme: »Der Teufel bin ich und will dir und deinem Gesellen die Hälse umdrehen!« welches diese Zween also erschreckte, daß sie sich alle beide durch Stöcke und Stauden so geschwind davontrolleten, als wann sie das höllische Feuer gejaget hätte. Die finstre Nacht konnte ihren schnellen Lauf nicht hindern, und obgleich sie oft an Stöcke, Steine, Stämme und Bäume liefen und noch öfter zuhaufen fielen, rafften sie sich doch geschwind wieder auf. Solches trieben sie, bis ich keinen mehr hören konnte; ich aber lachte unterdessen so schröcklich, daß es im ganzen Wald erschallete, welches ohn Zweifel in einer solchen finstern Einöde förchterlich anzuhören war.

Als ich mich nun abwegs machen wollte, strauchelte ich über das Feuerrohr; das nahm ich zu mir, weil ich bereits mit dem Geschoß umzugehen bei den Kroaten gelernet hatte. Da ich weiterschritte, stieß ich auch an einen Knappsack, welcher gleich meinem Kleid von Kalbfellen gemacht war; ich hub ihn ebenmäßig auf und fand, daß eine Patrontäsche, mit Pulver, Blei und aller Zugehör wohl versehen, unten daranhieng. Ich[125] hieng alles an mich, nahm das Rohr auf die Achsel wie ein Soldat und verbarg mich ohn weit davon in einen dicken Busch, der Meinung, daselbst eine Weile zu schlafen. Aber sobald der Tag anbrach, kam die ganze Partei auf vorbenannten Platz und suchten das verlorne Feuerrohr samt dem Knappsack; ich spitzte die Ohren wie ein Fuchs und hielt mich stiller als eine Maus. Wie sie aber nichts fanden, verlachten sie die Zween, so von mir entflohen waren. »Pfui, ihr feige Tropfen!« sagten sie, »schämet euch ins Herz hinein, daß ihr euch von einem einigen Kerl erschrecken, verjagen und das Gewehr nehmen lasset!« Aber der eine schwur, der Teufel sollt ihn holen, wanns nicht der Teufel selbst gewesen sei; er hätte ja die Hörner und seine rauhe Haut wohl begriffen. Der ander aber gehub sich gar übel und sagte: »Es mag der Teufel oder seine Mutter gewesen sein, wann ich nur meinen Ranzen wieder hätte.« Einer von ihnen, welchen ich vor den Vornehmsten hielt, antwortete diesem: »Was meinest du wohl, daß der Teufel mit deinem Ranzen und dem Feuerrohr machen wollte? ich dörfte meinen Hals verwetten, wo nicht der Kerl, den ihr so schändlich entlaufen lassen, beide Stücke mit sich genommen.« Diesem hielt ein ander Widerpart und sagte, es könne auch wohl sein, daß seither etliche Bauren da gewesen wären, welche die Sachen gefunden und aufgehoben hätten. Solchem ward endlich von allen Beifall gegeben und von der ganzen Partei festiglich geglaubt, daß sie den Teufel selbst unter Händen gehabt hätten, vornehmlich weil derjenige, so mich in der Finstere visitieren wollen, nicht allein solches mit grausamen Flüchen bekräftiget, sondern auch die rauhe funklende Haut und beide Körner als gewisse Wahrzeichen einer teuflischen Eigenschaft gewaltig zu beschreiben und herauszustreichen wußte. Ich vermeine auch, wann ich mich unversehens hätte wiederum sehen lassen, daß die ganze Partei entlaufen wäre.

Zuletzt, als sie lang genug gesuchet und doch nichts funden hatten, nahmen sie ihren Weg weiters; ich aber machte den Ranzen auf, zu frühstücken, und langte im ersten Griff einen Säckel heraus, in welchem dreihundert und etliche sechzig Dukaten waren. Ob ich nun hierüber erfreuet worden, bedarf zwar keines Fragens: aber der Leser sei versichert, daß mich der Knappsack viel mehr erfreuete, weil ich ihn mit Proviant so wohl versehen sahe, als diese schöne Summa Goldes selbst. Und demnach dergleichen Gesellen bei den gemeinen Soldaten viel zu dünn gesäet zu sein pflegen, daß sie solche mit sich auf Partei schleppen sollten, als mache ich mir die Gedanken, der Kerl müsse dies Geld auf ebenderselben Partei erst heimlich erschnappt und geschwind[126] zu sich in Ranzen geschoben haben, damit er solches mit den andern nicht partiern dörfe.

Hierauf zehrte ich fröhlich zu Morgen, fand auch bald ein lustig Brünnlein, bei welchem ich mich erquickte und meine schöne Dukaten zählete. Wann mirs allbereit das Leben gülte, ich sollte anzeigen, in welchem Land oder Gegend ich mich damals befunden, so könnte ichs nicht. Ich blieb anfangs so lang im Wald, als mein Proviant währete, mit welchem ich sparsam haushielt. Als aber mein Ranzen leer worden, jagte mich der Hunger in die Baurnhäuser: da kroch ich bei Nacht in Keller und Küchen und nahm von Essenspeise, was ich fand und tragen mochte; das schleppte ich mit mir in Wald, wo er am allerwildesten war. Darin führte ich wieder überall ein einsiedlerisch Leben wie hiebevor, ohn daß ich sehr viel stahl und destoweniger betete, auch keine stetige Wohnung hatte, sondern bald hie-, bald dorthin schweifte. Es kam mir trefflich wohl zustatten, daß es im Anfang des Sommers war; doch konnte ich auch mit meinem Rohr Feur machen, wann ich wollte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 125-127.
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