Das XII. Kapitel.

[49] Der Courasche wird ihr treffliche Courage auch trefflich eingetränkt.


Als nun die Unserige das Schloß aus Forcht, es möchte einfallen und uns alle bedecken, dem König übergaben und herauszogen, ich auch also ganz betrübt und weinend mitmarschierte, sahe mich zu allem Unglück derjenige Major, den ich hiebevor von den Braunschweigischen bei dem Mainstrom[49] gefangen bekommen; er erkundiget alsobalden die Gewißheit meiner Person von den Unserigen, und als er auch meinen damaligen Stand erfuhre, daß ich nämlich allererst zu einer Wittib worden wäre, da nahme er die Gelegenheit in acht und zwackte mich ohnversehens von den Truppen hinweg. »Du Blut-Hex!« sagte er, »jetzt will ich dir den Spott wieder vergelten, den du mir vor Jahren bei Höchst bewiesen hast, und dich lehren, daß du hinfort weder Wehr noch Waffen mehr führen noch dich weiters unterstehen sollest, einen Kavalier gefangen zu nehmen.« Er sahe so gräßlich aus, daß ich mich auch nur vor seinem Anblick entsetzte; wäre ich aber auf meinem Rappen gesessen und hätte ihn allein für mir im Feld gehabt, so hätte ich getraut, ihn eine andere Sprache reden zu lernen. Indessen führte er mich mitten unter einen Truppen Reuter und gab mich dem Fahnenjunker in Verwahrung, welcher alles, was ich mit dem Obristleutenant (dann er hatte seither diese Stell bekommen) zu tun hatte, von mir erkundigt; der erzählte mir hingegen, daß er beinahe damals, als ich ihn gefangen bekommen, schier den Kopf oder wenigst sein Majorstell verloren hätte, umb daß er sich von einem Weibsbild von der Brigaden hinweg fangen lassen, und dardurch dem Truppen eine Unordnung und gänzliche Zertrennung verursachet, wofern er nicht sich damit ausgeredet, daß ihn diejenige, so ihn hinweggenommen, durch Zauberei verblendet; zuletzt hätte er doch aus Scham resigniert und dänische Dienst angenommen.

Die folgende Nacht logierten wir in einem Quartier, darin wenig zum besten war, allwo mich der Obristleutenant zwang, zu Revanche seiner Schmach, wie ers nennete, seine viehische Begierden zu vollbringen, worbei doch (pfui der schändlichen Torheit!) weder Lust noch Freud sein konnte, indem er mir anstatt der Küß, ob ich mich gleich nit sonderlich sperret, nur dichte Ohrfeigen gab. Den andern Tag rissen sie unversehens aus wie die flüchtige Hasen, hinter denen die Windhund herstreichen, also daß ich mir nichts anders einbilden konnte, als daß sie der Tilly jagte, wiewohl sie nur flohen aus Forcht, gejagt zu werden. Die zweite Nacht fanden sie Quartier, da der Bauer den Tisch deckte; da lude mein tapferer Held von Offiziern seines Gelichters zu Gast, die sich durch mich mit ihm verschwägern mußten, also daß meine sonst ohnersättliche fleischliche Begierden dermalen genugsam kontentiert wurden. Die dritte Nacht, als sie den ganzen Tag abermal geloffen waren, als wann sie der Teufel selbst gejagt, gieng es mir gar nit besser, sondern viel ärger; dann nachdem ich dieselbe kümmerlich überstanden und[50] alle diese Hengste sich müd gerammelt hatten (pfui! ich schämte michs beinahe zu sagen, wann ichs dir, Simplicissime, nit zu Ehren und Gefallen täte!), mußte ich auch vor der Herren Angesicht mich von den Knechten treffen lassen. Ich hatte bisher alles mit Gedult gelitten und gedacht, ich hätte es hiebevor verschuldet; aber da es hierzu kam, war mirs ein abscheulicher Greuel, also daß ich anfieng zu lamentieren, zu schmalen und Gott um Hülf und Rach anzurufen; aber ich fande keine Barmherzigkeit bei diesen viehischen Unmenschen, welche, aller Scham und christlichen Ehrbarkeit vergessen, mich zuerst nackend auszogen, wie ich auf diese Welt kommen, und ein paar Handvoll Erbsen auf die Erden schütteten, die ich auflesen mußte, worzu sie mich dann mit Spießruten nötigten; ja, sie würzten mich mit Salz und Pfeffer, daß ich gumpen und blitzen mußte wie ein Esel, dem man ein Handvoll Dorn oder Nesseln unter den Schweif gebunden; und ich glaube, wann es nicht Winterszeit gewesen wäre, daß sie mich auch mit Brennesseln gegeißelt hätten.

Hierauf hielten sie Rat, ob sie mich den Jungen preisgeben oder mir als einer Zauberin den Prozeß durch den Henker machen lassen wollten. Das letzte, bedunkte sie, gereiche ihnen allen zu schlechter Ehr, weil sie sich meines Leibs teilhaftig gemacht; zudem sagten die Verständigste (wann anders diese Bestien auch noch ein Fünklein des menschlichen Verstands gehabt haben), wann man ein solche Prozedur mit mir hätte vornehmen wollen, so sollte mich der Obristleutenant gleich anfangs unberührt gelassen und in die Hände der Justiz geliefert haben. Also kam das Urtel heraus, daß man mich den Nachmittag (dann sie lagen denselben Tag in ihrer Sicherheit still) den Reuterjungens preisgeben sollte. Als sie sich nun des elenden Spektakuls, des Erbsenauflesens satt gesehen, dorfte ich meine Kleider wieder anziehen; und da ich allerdings damit fertig, begehrte ein Kavalier mit dem Obristleutenant zu sprechen, und das war eben derjenige Rittmeister, den ich vor Lutter gefangen bekommen; der hatt von meiner Gefangenschaft gehört. Als dieser den Obristleutenant nach mir fragte und zugleich sagte, er verlange, mich zu sehen, weil ich ihn vor Lutter gefangen, führete ihn der Obristleutenant gleich bei der Hand in das Zimmer und sagte: »Da sitzt die Karania! ich will sie jetzt strack den Jungen preisgeben!« Dann er nicht anders vermeinte, als der Rittmeister würde sowohl als er ein grausame Rach an mir üben wollen. Aber der ehrliche Kavalier war ganz anders gesinnet; er sahe mich kaum so kläglich dort sitzen, als er anfieng, mit einem Seufzen den Kopf zu schütteln. Ich[51] merkte gleich sein Mitleiden, fiele derowegen auf die Kniee nieder und bat ihn um aller seiner adeligen Tugenden willen, daß er sich über mich elende Dame erbarmen und mich vor mehrerer Schand beschirmen wollte. Er hub mich bei der Hand auf und sagte zu dem Obristleutenant und seinen Kameraten: »Ach, ihr rechtschaffene Brüder! was habt ihr mit dieser Damen angefangen?« Der Obristleutenant, so sich bereits halber bierschellig gesoffen, fiele ihm in die Red und sagte: »Was? sie ist eine Zauberin!« – »Ach, mein Herr verzeihe mir,« antwortet der Rittmeister, »soviel ich von ihr weiß, so bedunkt mich, sie sei des tapfern alten Grafen von T. seiner leiblichen Frauen Tochter, welcher rechtschaffene Held bei dem gemeinen Wesen Leib und Leben, ja Land und Leut aufgesetzt, also daß mein gnädigster König nicht gutheißen wird, wann man dessen Kinder so traktiert, ob sie gleich ein paar Offizier von uns auf die kaiserliche Seiten gefangen bekommen! Ja ich dörfte glauben, ihr Herr Vatter richtet auf diese Stunde in Ungarn noch mehr wider den Kaiser aus, als mancher tun mag, der eine fliegende Armada gegen ihn zu Felde führet.« – »Ha!« antwortet der flegelhaftige Obristleutenant, »was hab ich gewußt? warum hat sie das Maul nicht aufgetan?« Die andere Offizier, welche den Rittmeister wohl kannten und wußten, daß er nicht allein von einem hohen dänischen Geschlecht, sondern auch bei dem König in höchsten Gnaden war, baten gar demütig, der Rittmeister wollte dies übersehen, als eine geschehene Sach zum Besten richten und vermittlen, daß sie hierdurch in keine Ungelegenheit kämen; dahingegen obligierten sie sich, ihme auf alle begebende Gelegenheit mit Darsetzung Guts und Bluts bedient zu sein. Sie baten mich auch alle auf den Knieen um Verzeihung, ich konnte ihnen aber nur mit Weinen vergeben; und also kam ich, zwar übel geschändt, aus dieser Bestien Gewalt in des Rittmeisters Hände, welcher mich weit höflicher zu traktieren wußte; dann er schickte mich alsobalden, ohne daß er mich einmal berührt hatte, durch einen Diener und einen Reuter von seiner Compagnia in Dänemark auf ein adelig Haus, das ihm kürzlich von seiner Mutter Schwester erblich zugefallen war, allwo ich wie ein Prinzessin unterhalten wurde, welche unversehens Erlösung ich beides, meiner Schönheit und meiner Säugamme, zu danken, als die ohne mein Wissen und Willen dem Rittmeister mein Herkommen verträulich erzählt hatte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 49-52.
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