Das XVI. Kapitel.

[65] Wie Springinsfeld und Courasche miteinander hauseten.


Mein junger Mann ließe sich trefflich Wohl an in allem demjenigen, worzu ich ihn angenommen und zu brauchen hatte; so hielte er auch oben vermeldte Artikul so nett und erzeigte sich so gehorsam, daß ich die geringste Ursach nicht hatte, mich über ihn zu beschweren. Ja, wann er mir ansehen konnte, was[65] mein Will war, so war er schon bereit, solchen zu vollbringen; dann er war in meiner Liebe so gar ersoffen, daß er mit hörenden Ohren nit hörete, noch mit sehenden Augen nit sahe, was er an mir und ich an ihm hatte; sondern er vermeinete vielmehr, er hätte die allerfrömmste, getreueste, verständigste und keuscheste Liebste auf Erden, worzu mir und ihm dann meine angenommene Mutter, die er meinetwegen auch in großen Ehren hielte, trefflich zu helfen wußte. Diese war viel listiger als eine Füchsin, viel geiziger als eine Wölfin, und ich kann nicht sagen, ob sie in der Kunst, Gelt zu gewinnen oder zu kupplen, am vortrefflichsten gewesen sei. Wann ich ein los Stücklein in dergleichen Sachen im Sinn hatte und ich mich um etwas scheuete (dann ich wollte vor gar fromm und schamhaftig angesehen sein), so dorfte ichs ihr nur anvertrauen und war damit soviel als versichert, daß mein Verlangen ins Werk gestellt würde; dann ihr Gewissen war weiter als des Rhodiser Colossi Schenkel auseinandergespannet, zwischen welchen die größte Schiff ohne Segelstreichung durchpassieren können. Einmal hatte ich große Begierden, eines jungen von Adel teilhaftig zu sein, der selbigerzeit noch Fähndrich war und mir seine Liebe vorlängsten zu verstehen gegeben; wir hatten eben damals, als mich diese Lust ankam, das Läger bei einem Flecken geschlagen, wessentwegen sowohl mein Gesind als ander Volk um Holz und Wasser aus war; mein Markedenter aber gieng beim Wagen herum nisteln, als er mir eben mein Zelt aufgeschlagen und die Pferd zunächst bei uns zu andern auf die Weid laufen lassen. Weil ich nun mein Anliegen meiner Mutter eröffnet, schaffte sie mir denselben Fähndrich, wiewohl zur Unzeit, an die band; und als er kam, war das erste Wort, daß ich ihn in Gegenwart meines Manns fragte, ob er Gelt hätte. Und da er mit Ja antwortet, dann er vermeinte, ich fragte allbereit um s.v. den Hurenlohn, sagte ich zu meinem Markedenter: »Spring ins Feld und fange unsern Schecken! Der Herr Fähndrich wollte ihn gern bereuten und uns denselben abhandle und gleich bar bezahlen.« Indessen nun mein guter Markedenter gehorsamlich hingieng, meinen ersten Befelch zu vollbringen, hielte die Alte Schildwacht, dieweil wir den Kauf miteinander machten und auch einander ritterlich bezahlten. Demnach sich aber das Pferd nicht von meinem Markedenter so leichtlich wie seine Markedenterin vom Fähndrich fangen lassen wollte, kam er ganz ermütet wiederum zum Zelt, ebenso ungedultig, als sich der Fähndrich wegen seines langen Wartens stellet. Dieser Geschichten halber hat besagter Fähndrich nachgehends ein Lied[66] gemacht, »Der Scheck« genannt, anfahend: »Ach was für unaussprechliche Pein« etc., mit welchem sich in folgender Zeit ganz Teutschland etliche Jahr geschleppt, da doch niemand wußte, woher es seinen Ursprung hatte. Mein Markedenter aber bekam hierdurch kraft unserer Heuratsnotul den Namen »Springinsfeld«, und dies ist eben der Springinsfeld, den du, Simplicissime, in deiner Lebensbeschreibung oftermal vor einen guten Kerl rühmest. Du mußt auch wissen, daß er alle diejenige Stücklein, die er und du beides, in Westfalen und zu Philippsburg, verübet, und sonst noch vielmehr darzu von sonst niemand als von mir und meiner alten Mutter gelernet; dann als ich mich mit ihm paaret, war er einfältiger als ein Schaf und kam wieder abgefeimbter von uns, als ein Luchs und Kernessig sein mag.

Aber die Wahrheit zu bekennen, so sind ihm solche seine Wissenschaften nicht umsonst ankommen, sondern er hat mir das Lehrgelt zuvor genug bezahlen müssen. Einsmals, da er noch in seiner ersten Einfalt war, diskurierten er, ich und meine Mutter von Betrug und Bosheit der Weiber, und er entblödete sich zu rühmen, daß ihn kein Weibsbild betrügen sollte, sie wäre auch so schlau, als sie immer wollte. Gleichwie er nun seine Einfalt hiermit genugsam an den Tag legte, also bedauchte mich hingegen, solches wäre meiner und aller verständigen Weiber Dexterität viel zu nahe und nachteilig geredet; sagte ihm derowegen unverhohlen, ich wollte ihn neunmal vor der Morgensuppe betrügen können, wann ichs nur tun wollte. Er hingegen vermaß sich zu sagen, wann ich solches könnte, so wollte er sein Lebtag mein leibeigner Sklave sein, und trutzte mich noch darzu, wann ich solches zu tun mich nicht unterstünde, doch mit dem Geding, wann ich in solcher Zeit gar keinen Betrug von den neunen bei ihm anbrächte, daß ich mich alsdann zur Kirchen führen und mit ihm ehrlich kopulieren lassen sollte. Nachdem wir nun solchergestalt der Wettung eins worden, kam ich des Morgens frühe mit der Suppenschüssel, darin das Brod lag, und hatte in der andern Hand das Messer samt einem Wetzstein, mit Begehren, er sollte mir das Messer ein wenig schärfen, damit ich die Suppe einschneiden könnte. Er nahm Messer und Stein von mir, weil er aber kein Wasser hatte, leckte er den Wetzstein mit der Zunge, um selbigen zu befeuchtigen. Da sagte ich: »Nun das walt Gott, das ist schon zweimal!« Er befremdet sich und fragte, was ich mit dieser Rede vermeine. Hingegen fragte ich ihn, ob er sich dann unserer gestrigen Wettung nicht mehr zu erinnern[67] wisse. Er antwortet: »Ja« und fragte, ob und womit ich ihn dann schon betrogen? Ich antwortet: »Erstlich machte ich das Messer stumpf, damit du es wieder schärfer wetzen müßtest; zweitens zog ich den Wetzstein durch ein Ort, das du dir leicht einbilden kannst, und gab dir solchen mit der Zung zu schlecken.« – »Oho!« sagte er, »ists um diese Zeit, so schweig nur still und höre auf; ich gib dir gern gewonnen und begehre die restierende Mal nit zu erfahren.«

Also hatte ich nun an meinem Springinsfeld einen Leibeignen; bei Nacht, wann ich sonst nichts Bessers hatte, war er mein Mann, bei Tag mein Knecht, und wann es die Leute sahen, mein Herr und Meister überall. Er konnte sich auch so artlich in den Handel und in meinen Humor schicken, daß ich mir die Tage meines Lebens keinen bessern Mann hätte wünschen mögen, und ich hätte ihn auch mehr als gern geehlicht, wann ich nicht besorget, er würde dardurch den Zaum des Gehorsams verlieren und in Behauptung der billigen Oberherrlichkeit, die ihm alsdann gebühren würde, mir hundertfältig wiederum eintränken, was ich ihm etwan ohnverehlicht zuwider getan und er ohn Zweifel mit großem Verdruß zu Zeiten verschmerzen müssen. Indessen lebten wir bei- und miteinander so einig, aber nicht so heilig als wie die liebe Engel. Mein Mutter versahe die Stelle einer Markedenterin an meiner Statt, ich den Stand einer schönen Köchin oder Kellerin, die ein Wirt darumb auf der Streu hält, damit er viel Gast bekommen möge. Mein Springinsfeld aber war Herr und Knecht und was ich sonst haben wollte, das er sein sollte. Er mußte mir glatt pariern und meiner Mutter Gutachten, folgen; sonst war ihm alles mein Gesind gehorsam als ihrem Herrn, dessen ich mehr hielte als mancher Haubtmann; dann wir hatten liederliche Kommißmetzger bei dem Regiment, welche lieber Gelt zu versaufen als zu gewinnen gewohnt waren. Darum drang ich mich durch Schmiralia in ihre Profession und hielte zween Metzgerknecht vor einen, also daß ich das Prä allein behielte und jene nach und nach kaput spielte, weil ich einem jeden Gast, er wäre auch herkommen, woher er immer wollte, mit einem Stück von allerhand Gattung Fleisch zu Hülf kommen konnte, ob er es gleich rohe, gesotten, gebraten oder lebendig haben wollen. Gieng es dann an ein Stehlen, Rauben und Plündern (wie es dann in dem vollen und reichen Italia treffliche Beuten setzt), so mußten nit nur Springinsfeld samt meinem Gesind ihre Hälse daran wagen, etwas einzuholen, sondern die Courasche selbst fieng ihre vorige Gattung zu leben, die sie in[68] Teutschland getrieben, wiederum an, und indem ich dergestalt gegen dem Feind Mit Soldatengewehr, gegen den Freunden aber im Lager und in den Quartiern mit dem Judenspieß fochte, auch wo man mir in aller Freundlichkeit offensive begegnen wollte, den Schild vorzusetzen wußte, wuchse mein Beutel so groß darvon, daß ich beinahe alle Monat einen Wechsel von 1000 Kronen nach Prag zu übermachen hatte, und litte samt den Meinigen doch niemals keinen Mangel; dann ich beflisse mich dahin, daß mein Mutter, mein Springinsfeld, mein übrig Gesind und vornehmlich meine Pferde zu jederzeit ihr Essen, Trinken, Kleid und Fütterung hatten, und hätte ich gleich selbst Hunger leiden, nackend gehen und Tag und Nacht unter dem freien Himmel mich behelfen sollen. Hingegen aber mußten sie sich auch befleißen, einzutragen und in solcher Arbeit weder Tag noch Nacht zu feiern, und sollten sie Hals und Kopf darüber verloren haben.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 65-69.
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