Das XXI. Kapitel.

[84] Erzählung eines Treffens, welches im Schlaf vorgangen.


Kurz zuvor, ehe Mantua von den Unsrigen eingenommen wurde, mußte unser Regiment von Casal hinweg und auch in die mantuanische Belägerung; daselbsten liefe mir mehr Wasser auf meine Mühl als in dem vorigen Lager, dann gleich wie alldorten mehr Volk war, sonderlich Teutsche, also bekame ich auch mehr Kunden und Kundenarbeit, davon sich mein Gelthaufen wieder ein merkliches geschwinder vergrößerte, so daß ich etlichmal Wechsel nach Prag und anderswohin in die teutsche Reichsstädte übermachte; bei welcher glücklichen Prosperität, großem täglichen Gewinn und genugsamen Überfluß, dessen ich und mein Gesindel genossen, da sonst mancher Hunger und Mangel leiden mußte, mein Springinsfeld anfienge, allerdings das Junkernhandwerk zu treiben. Er wollte eine tägliche Gewohnheit daraus machen, nur zu fressen und zu saufen, zu spielen und spazieren zu gehen und zu faulenzen, und ließe allerdings die Handelschaft der Markedenterei und die Gelegenheiten, sonsten irgend etwas zu erschnappen, ein gut Jahr haben; überdas hatte er auch etliche ungeratene und verschwenderische Kameraten an sich gehenkt, die ihn verführten und zu allen demjenigen untüchtig machten, worzu ich ihn zu mir genommen und auf allerlei Art und Weise abgeführet hatte. »Ha!« sagten sie, »bist du ein Mann, und läßt deine Hur beides, über dich und das Deinige, Meister sein? Es wäre noch genug, wann du ein böses Eheweib hättest, von deren du dergleichen leiden[84] müßtest. Wann ich in deinem Hembd verborgen stäke, so schlüg ich sie, bis sie mir parierte, oder jagte sie vor aller Teufel hinweg etc.« Solches alles vernahm ich beizeiten mit großem Unwillen und Verdruß und gedacht auf Mittel und Weg, wie ich meinen Springinsfeld möchte ins Feld springen machen, ohne daß ich mich im geringsten etwas dergleichen gegen ihm oder seinem Anhang hätte vermerken lassen. Mein Gesind (darunter ich auch vier starke Tremel zu Knechten hatte) war mir getreu und auf meiner Seiten; alle Offizierer des Regiments waren mir nit übel gewogen, der Obrist selbst wollte mir wohl und die Obristin noch viel besser, und ich verbande mir alles noch mehrers mit Verehrungen, wo ich vermeinte, daß ich Hülf zu meinem künftigen Hauskrieg zu hoffen hätte, dessen Ankündigung ich stündlich von meinem Springinsfeld gewärtig war.

Ich wußte wohl, daß der Mann, welchen mir Springinsfeld aber nur pro forma repräsentieren mußte, das Haubt meiner Markedenterei darstellte, und daß ich unter dem Schatten seiner Person in mei ner Handelschaft agierte, auch daß ich bald ausgemarkedentert haben würde, wann ein solches Haubt mir mangelte; derohalben gieng ich gar behutsam. Ich gab ihm täglich Gelt beides, zu spielen und zu bankettieren, nicht daß ich die Beständigkeit seiner vorigen Verhaltung bestätigen wollen, sondern ihn desto kirrer, verwegener und ausgelassener gegen mir zu machen, damit er sich dardurch verplumpen und durch ein rechtschaffenes grobianisches Stückel dem Besitz meiner und des Meinigen sich unwürdig machen, mit einem Wort, daß er mir Ursach geben sollte, mich von ihme zu scheiden; dann ich hatte allbereit schon so viel zusammengeschunden und verdienet, zumalen auch anderwärtshin in Sicherheit gebracht, daß ich mich weder um ihn noch die Markedenterei, ja um den ganzen Krieg und was ich noch darin kriegen und hinwegnehmen konnte, wenig mehr bekümmerte.

Aber ich weiß nicht, ob Springinsfeld das Herz nicht hatte, seinen Kameraten zu folgen, um die Oberherrschaft öffentlich von mir zu begehren, oder ob er sonst in erzähltem seinem liederlichen Leben unachtsamerweis fortfuhre. Dann er stellte sich gar freundlich und demütig und gab mir niemalen kein sauern Blick, geschweige ein böses Wort. Ich wußte sein Anliegen wohl, worzu ihn seine Kameraten verhetzt hatten. Ich konnte aber aus seinen Werken nicht spüren, daß er etwas dergleichen wider mich zu unterstehen bedacht gewesen wäre; doch schickte sichs endlich wunderbarlich, daß er mich offendierte, wessentwegen wir dann,[85] es sei ihm nun gleich lieb oder leid gewesen, voneinander kamen.

Ich lag einsmals neben ihm und schlief ohne alle Sorg, als er eben mit einem Rausch heimkommen war. Siehe, da schlug er mich mit der Faust von allen Kräften ins Angesicht, daß ich nicht allein darvon erwachte, sondern das Blut liefe mir auch häufig zum Maul und der Nasen heraus, und wurde mir von selbigem Streich so törmisch im Kopf, daß mich noch wundergibt, daß er mir nit alle Zähn in Hals geschlagen. Da kann man nun wohl erachten und abnehmen, was ich ihm vor eine andächtige Leteney vorbetete: ich hieße ihn einen Mörder und was mir sonst noch mehr von dergleichen ehrbaren Titul ins Maul kommen. Er hingegen sagte: »Du Hundsfott, warum lässest du mir mein Gelt nicht? Ich hab es ja redlich gewonnen!« und wollte noch immer mehr Stöße hergeben, also daß ich zu schaffen hatte, mich deren zu erwehren, maßen wir beede im Bette aufrecht zu sitzen kamen und gleichsam anfiengen, miteinander zu ringen. Und weil er noch fort und fort Gelt von mir haben wollte, gabe ich ihm eine kräftige Ohrfeigen, die ihn wieder niederlegte; ich aber wischt zum Zelt hinaus und hatte ein solches Lamentieren, daß nit nur meine Mutter und übriges Gesind, sondern auch unsere Nachbaren davon erwachten und aus ihren Hütten und Gezeiten hervorkrochen, um zu sehen, was da zu tun oder sonst vorgangen wäre. Dasselbe waren lauter Personen vom Stab, als welche gemeiniglich hinter die Regimenter zu den Markedenter logiert werden, nämlich der Kaplan, Regiments-Schultheiß, Regiments-Quartiermeister, Proviantmeister, Profos, Henker, Hurenwaibel und dergleichen. Denen erzählet ich ein langs und ein breits, und der Augenschein gab auch, wie mich mein schöner Mann ohne einige Schuld und Ursach traktiert: mein angehender milchweißer Busem war überall mit Blut besprengt, und des Springinsfelds unbarmherzige Faust hatte mein Angesicht, welches man sonst niemalen ohne lustreizende Lieblichkeiten gesehen, mit einem einzigen Streich so abscheulich zugerichtet, daß man die Courasche sonst nirgendsbei als an ihrer erbärmlichen Stimme kennete, unangesehen niemands vorhanden war, der sie anderwärts jemalen hätte klagen hören. Man fragte mich um die Ursach unserer Uneinigkeit und daraus erfolgten Schlacht. Weil ich nun allen Verlauf erzählte, vermeinte der ganze Umstand, Springinsfeld müßte unsinnig worden sein; ich aber glaubte, er habe dieses Spiel aus Anstiftung seiner Kameraten und Saufbrüder angefangen, um mir ernstlich hinter die Hosen, zweitens hinter[86] die Oberherrlichkeit und letzlich hinter meines vielen Gelts zu kommen. Indem wir nun so miteinander pappelten und etliche Weiber umgiengen, mir das Blut zu stellen, krabbelte Springinsfeld auch aus unserem Zelt. Er kam zu uns zum Wachtfeuer, das bei des Obristen Bagage brandte, und wußte beinahe nicht Wort genug zu ersinnen und vorzubringen, mich und jedermann wegen seines begangenen Fehlers um Verzeihung zu bitten; es mangelte wenig, daß er nicht vor mir auf die Kniee niederfiel, um Vergebung und die vorige Huld und Gnad wieder von mir zu erlangen; aber ich verstopfte die Ohren und wollte ihn weder wissen noch hören, bis endlich unser Obrist-Leutenant von der Rund darzukam, gegen welchen er sich erbotten, einen leiblichen Eid zu schweren, daß ihm geträumet hätte, er wäre auf dem Spielplatz gesessen, allwo ihm einer um eine ziemliche Schanz auf dem Spiel gestandenen Gelts unrecht tun wollen, gegen welchem er deswegen geschlagen und wider seinen Willen und Meinung seine liebe unschuldige Frau im Schlaf getroffen. Der Obrist-Leutenant war ein Kavalier, der mich und alle Huren wie die Pest haßte, hingegen aber meinem Springinsfeld nit ohngewogen war; derowegen sagte er zu mir, ich sollte mich wieder mit ihm alsobald in die Zelt packen und das Maul halten, oder er wollte mich zum Profosen setzen und wohl gar, wie ich vorlängsten verdient, mit Ruten aushauen lassen.

»Potz Blech, das ist ein herber Sentenz, dieser Richter [richtet] nicht viel (gedachte ich bei mir selber), aber es schadet nichts, bist du gleich Obrist-Leutenant, und beides, vor meiner Schönheit und meinen Verehrungen, schußfrei, so seind doch andere, und zwar deren mehr als deiner, die sich gar gern dadurch berücken lassen, mir recht zu geben.« Ich schwieg so still wie ein Mäusel, mein Springinsfeld aber auch, als dem er sagte, wann er noch mehrmal so kommen würde, so wollte er ihn bei Tag auf einmal dergestalt strafen um das, was er bei Nacht zu zweien Malen gegen mir gesündigt, daß er gewißlich das dritte Mal nicht wieder kommen würde. Uns beiden zugleich aber sagte et, wir sollten den Frieden machen, ehe die Sonne aufgieng, damit er den künftigen Morgen kein Ursach hätte, uns einen Tätigsmann zu geben, aber über dessen Procedere wir uns hinter den Ohren zu kratzen würden Ursachen haben. Also giengen wir wieder miteinander zu Bette und hatten beiderseits unsere Stöße, maßen ich dem Springinsfeld sowenig gefeiret als er mir. Er bekräftigt nochmals seinen gehabten Traum mit großen Schwüren, ich aber behauptete, daß alle Träume falsch wären,[87] derentwegen ich aber nichtsdestoweniger keine falsche Maulschelle bekommen. Er wollte mit den Werken seine Liebe bezeugen, aber der empfangene Streich, oder vielmehr, daß ich seiner gern los gewest wäre, entzogen ihm bei mir alle Willfährigkeit. Ja, ich gab ihm auch den andern Tag nicht allein kein Gelt mehr zum Spielen, sondern auch zum Saufen und sonst wenig guter Wort; und damit er mir nicht hinder die Batzen käme, die ich noch bei mir behalten, unser Handelschaft damit zu treiben, verbarg ich solche hinter meine Mutter, welche solche so tags, so nachts wohl eingenähet auf ihrem bloßen Leib tragen mußte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 84-88.
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