Das XXII. Kapitel.

[88] Aus was Ursachen Springinsfeld und Courasche sich gescheiden, und wormit sie ihn zur Letze begabt.


Gleich nach dieser unserer nächtlichen Schlacht stunde es wenig Zeit an, daß Mantua mit einem Kriegspossen eingenommen wurde; ja, der Fried selbst zwischen den Röm. Kaiserl. und Franzosen, zwischen den Herzogen von Sophoia und Nivers folgte ohnlängst hernach, gleichsam als wann der welsche Krieg mit unsern Treffen hätte geendigt werden müssen. Und ebendeswegen giengen die Franzosen aus Savoya und stürmeten wieder in Frankreich, die kaiserlichen Völker aber in Teutschland, zu sehen, was der Schwed machte, mit denen ich dann so wohl fortschlendern mußte, als wann ich auch ein Soldat gewesen wäre. Wir wurden, uns entweder zu erfrischen, oder weil die rote Ruhr und die Pest selbst unter uns regierte, an einem Ort in den kaiserlichen Erblanden etliche Wochen an die Donau ins freie Feld mit unserem Regiment logiert, da es mir bei weitem nicht solche Bequemlichkeiten sehte wie in dem edlen Italia. Doch behalfe ich mich so gut, als ich konnte, und hatte mit meinem Springinsfeld (weil er mehr als eine Hundsdemut gegen mir verspüren ließe) den Frieden wiederum, doch nur pro forma, geschlossen, dann ich laurete täglich auf Gelegenheit, vermittelst deren ich seiner los werden möchte.

Solcher mein inniglicher Wunsch widerfuhre mir folgendergestalt, welche Begebenheit genugsam bezeuget, daß ein vorsichtiger, verständiger, ja unschuldiger Mann, dem wachend und nüchtern weder Weib, Welt, noch der Teufel selbst nicht zukommen kann, gar leichtlich durch seine eigene blöde Gebrechlichkeit schlaf- und weintrunkenerweis in alles Unheil und Unglück[88] gestürzt und also um alles sein Glück und Wohlfahrt gebracht werden mag.

Gleichwie nun aber ich in meinem Gemüt auch um die allergeringste Schmach und vermeinte zugefügte Unbilligkeit ganz rachgierig und unversöhnlich war, als erzeigte sich auch mein Leib, wann er im geringsten verletzt würde, gleichsam ganz unheilsam; nicht weiß ich, ob derselbe dem Gemüt nachähmte oder ob die Zärte meiner Kaut und sonderbaren Komplexion so grobe Stöße wie ein Salzburger Holzbauer nicht ertragen konnte. Einmal, ich hatte meine blaue Fenster und von Springinsfelds Faust die Wahrzeichen noch in meinem sonst zarten Angesicht, die er mir im Lager vor Mantua eingetränkt, da er mich in obbemeldten Lager an der Donau, als ich abermal mitten im besten Schlaf lag, bei der Mitten kriegte, auf die Achsel nahm, mit mir also im Hembd, wie er mich erdappt gehabt, gegen des Obristen Wachtfeuer zuliefe und mich allem Ansehen nach hinwegwerfen wollte. Ich wußte, nachdem ich erwachte, zwar nicht, wie mir geschahe, aber gleichwohl merkte ich meine Gefahr, da ich mich ganz nackend befande und den Springinsfeld mit mir so schnell gegen dem Feuer zueilen sahe; derowegen fienge ich an zu schreien, als wann ich mitten unter die Mörder gefallen wäre. Davon erwachte alles im Lager, ja der Obrist selbst sprang mit seiner Partisan aus seiner Zelten und andere Offizier mehr, welche kamen der Meinung, einen entstandenen großen Lärmen zu stillen (dann wir hatten damals ganz keine Feindsgefahr), sondern aber nichts anders als ein schönes lächerliches Einsehen und närrisches Spektakul. Ich glaube auch, daß es recht artlich und kurzweilig anzusehen gewesen sein muß. Die Wacht empfienge den Springinsfeld mit seiner unwilligen und schreienten Last, ehe er dieselbige ins Feuer werfen konnte; und als sie solche nackend sahen und vor seine Courasche erkannten, war der Korporal so ehrliebend, mir einen Mantel um den Leib zu werfen. Indessen kriegten wir einen Umstand von allerhand hohen und niedern Offiziern, der sich schier zu Tod lachen wollte und welchem nicht allein der Obrist selbst, sondern auch der Obriste-Leutenant gegenwärtig war, der allererst neulich den Frieden zwischen mir und dem Springinsfeld durchs Drohung gestiftet hatte.

Als indessen Springinsfeld sich wieder witzig stellte, oder (ich weiß selbst schier nit, wie es ihm ums Herz war) als er wieder zu seinen sieben Sinnen kommen, fragte ihn der Obriste, was er mit dieser Gugelfuhr gemeint hätte. Da antwortet er, ihm hätte geträumt, seine Courasche wäre überall mit giftigen[89] Schlangen umgeben gewesen, derowegen er sie, seinem Einfall nach, zu erretten und davon sich befreien, entweder in ein Feuer oder Wasser zu tragen vors Beste gehalten, hätte sie auch zu solchem Ende aufgepackt und wäre, wie sie alle vor andern sähen, also mit ihr daher kommen, welches ihm mehr als von Grund seines Herzens leid seie. Aber beides, der Obrist selbst und der Obrist-Leutenant, der ihm vor Mantua beigestanden, schüttelten die Köpf darüber und ließen ihn, weil sich schon jedermann satt genug gelacht hatte, vor die Langeweil zum Profosen führen, mich aber in mein Gezelt gehen, vollents auszuschlafen.

Den folgenden Morgen gieng unser Prozeß an und sollte auch gleich ausgehen, weil sie im Krieg nicht so lang zu währen pflegen als an einigen Orten im Frieden. Jedermann wußte zuvor wohl, daß ich Springinsfelds Ehefrau nicht war, sondern nur seine Matreß, und dessentwegen bedorften wir auch vor kein Konsistorium zu kommen, um uns scheiden zu lassen, welches ich begehrte, weil ich im Bette meines Lebens bei ihm nicht sicher war; und ebendessentwegen hatte ich einen Beifall schier von allen Assessoribus, die davor hielten, daß ein solche Ursach auch eine rechte Ehe scheiden könnte. Der Obrist-Leutenant, so vor Mantua ganz auf Springinsfelds Seiten gewesen, war jetzt ganz wider ihn, und die übrige vom Regiment schier alle auf meiner Seiten. Demnach ich aber mit meinem Kontrakt schriftlich hervorkam, wasgestalt wir beisammen zu wohnen einander versprachen bis zur ehrlichen Kopulation, zumalen meine Lebensgefahr, die ich künftig bei einem solchen Ehegatten zu sorgen hätte, trefflich aufzumutzen und vorzuschützen wußte, fiel endlich der Bescheid, daß wir bei gewisser Strafe voneinander gescheiden und doch verbunden sein sollten, uns um dasjenig, so wir miteinander errungen und gewonnen, zu vergleichen. Ich replizierte hingegen, daß solches letzte wider den Akkord unserer ersten Zusammenfügung laufe und daß Springinsfeld, seit er mich bei ihm hätte oder, teutscher zu reden, seit ich ihn zu mir genommen und die Markedenterei angefangen, mehr vertan als gewonnen hätte, welches ich dann mit dem ganzen Regiment beweisen und dartun könnte. Endlich hieße es, wann der Vergleich nach Billigkeit solcher Umstände zwischen uns beeden selbst nicht gütlich getroffen werden könnte, daß alsdann nach befindenden Dingen von dem Regiment ein Urtel gesprochen werden sollte.

Ich ließe mich mit diesem Bescheid mehr als gern genügen, und Springinsfeld ließe sich auch gern mit einem geringen beschlagen;[90] dann weil ich ihn und mein Gesind nach dem eingehenden Gewinn und also nit mehr wie in Italia traktierte, also daß es schiene, als ob der Schmalhans bei uns anklopfen wollte, vermeinte der Geck, es wäre mit meinem Gelt auf der Neige und bei weitem nicht mehr so viel vorhanden, als ich noch hatte und er nicht wußte. Und es war billig, daß ers nicht wußte, dann er wußte ja auch nicht, warum ich damit so halsstarrig zuruckhielte.

Eben damals, Simplice, wurde das Regiment Dragoner, darunter du etwan zu Soest dein Abc gelernet hast, durch allerhand junge Bursch, die sich hin und wieder bei den Offiziern der Regimenter zu Fuß befanden und nun erwachsen waren, aber keine Musketierer werden wollten, verstärkt, welches eine Gelegenheit vor den Springinsfeld war, wessentwegen er sich auch mit mir in einen desto leidenlichern Akkord einließe, den wir auch allein mit einander getroffen, solchergestalt: Ich gab ihm das beste Pferd, das ich hatte, samt Sattel und Zeug: item einhundert Dukaten Bargelt und das Dutzet Reuterkoller, so er in Italia durch meine Anstalt gestohlen; dann wir hatten uns bisher nicht dörfen sehen lassen. Damit wurde auch eingedingt, daß er mir zugleich meinen Spiritus familiaris um eine Kron abkaufen sollte, welches auch geschahe. Und in solcher Maß habe ich den Springinsfeld abgeschafft und ausgesteuret. Jetzt wirst du auch bald hören, mit was vor einer feinen Gab ich dich selbst beseligt und deiner Torheit im Sauerbrunnen belohnet hab. Habe nur eine kleine Gedult und vernimm zuvor, wie es dem Springinsfeld mit seinem Ding im Glas gangen.

Sobald er solches hatte, bekam er Würm über Würm im Kopf. Wann er nur einen Kerl ansahe, der ihme sein Tag niemal nichts Leids getan, so hätte er ihn gleich an Hals schlagen mögen, und er spielte auch in allen seinen Duellen den Meister. Er wußte alle verborgene Schätze zu finden und andere Heimlichkeiten mehr, hier ohnnötig zu melden. Demnach er aber erfuhre, was vor einen gefährlichen Gast er herbergte, trachtet er, seiner loszuwerden; er konnte ihn aber drum nicht wieder verkaufen, weil der Satz oder der Schlag seines Kaufschillings aufs Ende kommen war. Ehe er nun selbst Haar lassen wollte, gedachte er, mir denselbigen wieder anzuhenken und zuruckzugeben, wie er mir ihn dann auch auf dem Generalrendevous, als wir vor Regenspurg ziehen wollten, vor die Füße warf. Ich aber lachte ihn nur aus und solches zwar nicht darum vergebens, dann ich hube ihn nicht allein nicht auf, sondern da Springinsfeld wieder in sein Quartier kam, da fande er ihn[91] wieder in seinem Schubsack. Ich hab mir sagen lassen, er habe den Bettel etlichmal in die Donau geworfen, ihn aber alleweg wieder in seinem Sack gefunden, bis er endlich denselbigen in einen Bachofen geworfen und also seiner losworden. Indessen er sich nun so hiermit schleppte, wurde mir ganz ungeheuer bei der Sach; derowegen versilberte ich, was ich hatte, schaffte mein Gesind ab und setzte mich mit meiner böhmischen Mutter nach Passau, vermittelst meines vielen Gelts des Kriegs Ausgang zu erwarten, sintemal ich zu sorgen hatte, wann Springinsfeld solches Kaufs und Verkaufs halber über mich klagen würde, daß mir alsdann als einer Zauberin der Prozeß gemacht werden dörfte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 88-92.
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