Das XXIV. Kapitel.

[95] Wie Simplicissimus und Courasche Kundschaft zusammen bekommen und einander betrogen.


Wir mußten in unserer Stadt eine starke Besatzung gedulten, als die Kurbayrische und Französische-Weimarische in der schwäbischen Grenze einander in den Haaren lagen und sich zwackten. Unter denselbigen waren die meiste Offizierer trefflich geneigt auf dasjenige, was ich ihnen gern um die Gebühr mitzuteilen pflegte; demnach ichs aber beides, aus großer Begierd des Gelts, [das ich] wieder damit gewonnen, als meiner eigenen unersättlichen Natur halber, gar zu grob machte und beinahe ohne Unterschied zuliefe, wer nur wollte, siehe, da bekam ich dasjenige, was mir bereits vor zwölf oder funfzehen Jahren rechtmäßigerweise gebühret hätte, nämlich die liebe Franzosen mit wohlgeneigter Gunst. Diese schlugen aus und begunnten mich mit Rubinen zu zieren, als der lustige und fröhliche Frühling den ganzen Erdboden mit allerhand schönen wohlgezierten Blumen besetzte. Gesund war mirs, daß ich Mittel genug hatte, mich wiederum darvon kuriern zu lassen, welches dann in einer Stadt am Bodensee geschahe. Weil mir aber meines Medici Vorgeben nach das Geblüt noch nicht vollkommen gereinigt gewesen, da riete er mir, ich sollte die Saurbrunnenkur brauchen und also meine vorige Gesundheit desto völliger wiederum erholen. Solchem zu folgen rüstet ich mich aufs beste aus mit einem schönen Kalesch, zweien Pferden, einem Knecht und einer Magd, die mit mir vier Hosen eines Tuchs war, außer daß sie die oben gemeldte lustige Krankheit noch nicht am Hals gehabt.

Ich war kaum acht Tag in Saurbrunnen gewesen, als Herr Simplicius Kundschaft zu mir machte; dann »Gleich und gleich gesellt sich gern«, sprach der Teufel zum Kohler. Ich trug mich ganz adelig, und weil Simplicius so toll aufzoge und viel Diener hatte, hielte ich ihn auch vor einen tapfern Edelmann und gedachte, ob ich ihm vielleicht das Seil über die Körner werfen und ihn (wie ich schon zum öftern mehr praktiziert) zu meinem Ehemann kriegen konnte. Er kam, meinem Wunsch nach, mit völligem Wind in den gefährlichen Port meiner sattsamen Begierden angesegelt, und ich traktierte ihn, wie etwan die Circe den irrenden Ulyssem; und alsobald faßte ich eine gewisse Zuversicht, ich hätte ihn schon gewiß an der Schnur, aber der lose Vogel risse solche entzwei vermittelst eines Funds, dardurch er mir seine große Undankbarkeit zu[96] meinem Spott und seinem eigenen Schaden bezeugte, sintemal er durch einen blinden Pistolenschuß und einer Wasserspritze voll Blut, das er mir durch ein Sekret beibrachte, mich glauben machte, ich wäre verwundet, wessentwegen mich nicht nur der Balbierer, der mich verbinden sollte, sondern auch fast alles Volk in Saurbrunnen hinten und vornen beschauete, die nachgehends alle mit Fingern auf mich zeigten, ein Lied darvon sangen und mich dergestalt aushöhneten, daß ich den Spott nicht mehr vertragen und erleiden konnte, sondern [ehe] ich die Kur gar vollendet, den Sauerbrunnen mitsamt dem Bad quittierte.

Der Tropf Simplex nennet mich in seiner Lebenserzählung im 5. Buch an 6. Kapitel »leichtfertig«. Item, sagt er, ich sei mehr mobilis als nobilis gewesen. Ich gebe beides zu; wann er selbst aber nobel oder sonst ein gut Haar an ihm gewesen wäre, so hätte er sich an so keine leichtfertige und unverschämte Dirne, wie er mich vor eine gehalten, nicht gehenkt, viel weniger sein eigene Unehr und meine Schand also vor der ganzen Welt ausgebreitet und ausgeschrieen. Lieber Leser! was hat er jetzt vor Ehr und Ruhm darvon, daß er (damit [ich] seine eigene Wort gebrauche) in kurzer Zeit einen freien Zutritt und alle Vergnügung, die er begehren und wünschen mögen, von einer Weibsperson erhalten, von deren Leichtfertigkeit er ein Abscheuen bekommen? Ja von deren, die noch kaum der Holzkur entronnen? Der arme Teufel hat eine gewaltige Ehre darvon, sich dessen zu rühmen, welches er mit besseren Ehren billig hätte verschweigen sollen. Aber es gehet dergleichen Hengsten nicht anderst, die wie das unvernünftige Viehe einem jedwedern geschleierten Tier, wie der Jäger einem jeden Stück Wild, nachsetzen. Er sagt, ich seie glatthärig gewesen; da muß er aber wissen, daß ich damals den siebenzehenden Teil meiner vorigen Schönheit bei weitem nicht mehr hatte, sonderlich behalfe mich allbereit mit allerhand Anstrich und Schminke, deren er mir nicht wenig, sondern einer großen Menge abgeleckt. Aber genug hiervon: Narren soll man mit Kolben lausen. Das war noch ein gerings; jetzt vernehme der Leser, wormit ich ihn endlich bezahlet. Ich verließe den Sauerbrunnen mit großem Verdruß und Unwillen; also bedachte [ich] mich auf eine Nach, weil ich vom Simplicio beides, beschimpft und verachtet worden. Und meine Magd hatte sich daselbsten ebenso frisch gehalten als ich und (weil die arme Tröpfin keinen Scherz verstehen konnte) ein junges Söhnlein vor ein Trinkgelt aufgebündelt, welches sie auch auf meinem Meierhof außer der Stadt glücklich zur Welt gebracht. Dasselbe mußte sie den Namen Simplicium[97] nennen lassen, wiewohl sie Simplicius sein Tage niemals berührte. Sobald ich nun erfahren, daß sich Simplicius mit einer Baurentochter vermählet, mußte meine Magd ihr Kind entwöhnen und dasselbige, nachdem ichs mit zarten Windeln, ja seidenen Decken und Wickelbinden ausstaffieret, um meinem Betrug eine bessere Gestalt und Zierde zu geben, in Bekleidung meines Meiersknecht zu Simplici Haus tragen, daß sie es dann bei nächtlicher Weile vor seine Tür gelegt mit einem beigelegten schriftlichen Bericht, daß er solches mit mir erzeugt hätte. Es ist nicht zu glauben, wie herzlich mich dieser Betrug erfreuete, sonderlich da ich hörete, daß er dessentwegen von seiner Obrigkeit so trefflich zur Straf gezogen worden und daß ihm diesen Fund sein Weib alle Tag mit Merrettich und Senf auf dem Brod zu essen gab, item, daß ich dem Simpeln guten Glauben gemacht, die Unfruchtbare hätte geboren, da ich doch, wann ich der Art gewest wäre, nicht auf ihn gewartet, sondern in meiner Jugend verrichtet haben würde, was er in meinem herzunahenden Alter von mir glaubte; dann ich hatte damals allbereit schier vierzig Jahr erlebt und war eines schlimmen Kerls nicht würdig, als Simplicius einer gewesen.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 95-98.
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