Die Virdte Abhandelung


[82] Carolus. Juxton. Thomlisson.


Fürst / aller Fürsten Fürst! den wir nun sterbend grüssen /

Vor dem wir auff dem Knie das strenge Richt-Beil küssen /

Gib was mein letzter Wundsch noch von dir bitten kan:

Vnd stecke Carols Geist mit heil'gem Eyver an.

Entzünde diß Gemüt / das sich ergetzt zu tragen

Die Ehren-volle Schmach: das sich behertzt zu wagen

Für unterdrückte Kirch' / entzwey gesprengte Cron /

Vnd hoch-verführtes Volck. Ihr die von eurem Thron[82]

Mein Mordgerüst beschaut / schaut wie die Macht verschwinde

Auff die ein König pocht / schaut wie ich überwinde

In dem mein Zepter bricht. Die Erden stinckt uns an /

Der Himmel rufft uns ein. Wer also scheiden kan /

Verhönt den blassen Tod / und trotzt den Zwang der Zeitten /

Vnd muß der Grüffte Recht großmüttig überschreitten /

Indem ein Vnterthan sein eigen Mord-Recht spinnt /

Vnd durch des Printzen Fall unendlich Leid gewinnt /

Das häuffig schon erwacht: wer nach uns hir wird leben /

Wird zwischen heisser Angst und Todesfurchten schweben /

Indem sich Land auff Land / und Stat auff Stadt verhetzt /

Vnd Rath-Stul dem Altar und Tempel widersetzt /

Vnd diser / den verdruckt / der jenen aus wil heben /

Vnd dem der nach ihm schlägt den letzten Hib wil geben.

Biß der / der wider uns den grimmen Schluß aussprach /

Der unser Regiment mit frecher Faust zubrach /

Geprest durch heisse Reu wird disen Tag verfluchen /

Vnd meine Tropffen Blut auff seiner Seelen suchen.

Biß der / der sich erkühnt mein sauber Hertz zuschmehn /

Von Blut und Thränen naß / sich nach uns umb wird sehn.

Doch! wir bekräncken diß. Vnd bitten; Herr verschone!

Laß nicht der Rache zu / daß sie dem Vnrecht lohne /

Das über uns geblitzt: ihr König schilt sie frey!

Verstopff' ach Herr! dein Ohr vor ihrem Mord-Geschrey!

Was sagt uns Thomlisson?

THOMLISSON.

Printz Carl / die Blum der Helden /

Wil ihrer Majestät die treue Pflichtschuld melden /

Vnd schickt durch treue Leut' aus Catten diß Papir![83]

CAROL.

Mein hochbetrübter Printz! mein Sohn! wie fern von dir!

Wie fern! wie fern von dir!

JUXTON.

Der Höchste wird verbinden

Was diser Tag zureist. Mein Fürst wird ewig finden

Was Zeit und Vnfall raubt.

CAROL.

Recht! finden / und in Gott

Vnd durch Gott wieder sehn / die ein betrübter Bot

Mit keiner Antwort Schrifft mehr von uns wird erquicken:

Ich muß die Trauer-Post an Freund' und Kinder schicken

Daß Carl itzund vergeh'. Nein! kan der untergehn

Der zu der Crone geht! der feste Carl wird stehn /

Wenn nun sein Cörper fällt / der Glantz der Eitelkeiten /

Der Erden leere Pracht / die strenge Noth der Zeiten

Vnd diß was sterblich heist / wird auff den Schauplatz gehn /

Was unser eigen ist wird ewig mit uns stehn.

Was hält uns weiter auff! geh Thomlisson und schicke /

Dem Printzen seinen Briff so unversehrt zu rücke /

Als ihn die Faust empfing. Wir gehn die letzte Bahn!

Vnnötig daß ein Briff durch schmertzen vollen Wahn /

Durch jammerreiche Wort und neue Seelenhibe /

Vns aus geschöpffter Ruh' erweck' und mehr betrübe.

JUXTON.

Gott / in dem alles ruht / vermehre dise Ruh.

CAROL.

Er thuts / und spricht dem Geist mit starckem Beystand zu.

JUXTON.

Sein Beystand stärckt in Angst ein unbefleckt Gewissen.

CAROL.

Daß der unschuldig lid / wusch durch sein Blut-vergissen.

JUXTON.

Der / was uns druckt / ertrug in letzter Sterbens Noth.

CAROL.

Vns drückt / diß glaubt uns fest / nichts mehr als Straffords Tod.[84]

THOMLISSON.

Die Richter haben ihm die Hals-Straff aufferleget.

CAROL.

Sein Vnschuld hat den Plitz auff unser Haubt erreget.

THOMLISSON.

Der König gab den Mann durch Macht gezwungen hin!

CAROL.

Lernt nun / was diser Zwang uns bringe für Gewin.

THOMLISSON.

Der König must es thun65 / das tolle Volck zu stillen /

CAROL.

Recht so / seht wie das Volck66 dem König itzt zu willen.

THOMLISSON.

Als Wentwort umb den Tod67 / den König selber bat.

CAROL.

Seht was der König itzt dadurch erhalten hat /

THOMLISSON.

Man schloß vor aller Heil auff eines Manns Verderben.

CAROL.

Der dises schloß / ist hin / und wer nicht hin / wird sterben.

THOMLISSON.

Dem Vrtheil fillen bey der Stats- und Kirchen Rath.

CAROL.

Verblümm't es / wie ihr woll't / es war ein' arge That.

JUXTON.

Der Höchste wird die That der langen Reu verzeihen.

CAROL.

Er wird von disem Blut uns durch sein Blut befreyen.

Auff Geist! die Blut-Trompet / der harten Drommel Klang /

Der Waffen Mord-geknirsch rufft zu dem letzten Gang.


Carolus. C. Hacker. C. Thomlisson. Juxton. Die Edelen.


HACKER.

Mein Fürst! das raue Joch / darein die Zeit uns zwinget /68

Die wider Will' und Wundsch uns disen Dinst auffdringet /

Erfordert ihn durch uns / und sonder weitter Frist /

Von dem bestürtzten Hoff' auffs letzte Traur-gerüst.

CAROL.

Wir gehn! entsetzt euch nicht! wir sind bereit zu leiden![85]

Vnd eilen aus der Angst der langen Qual zu scheiden /

Wer nach uns leben wird sol über unsre Pein

Vnd unsre Richter selbst / ein strenger Richter seyn.

Wenn grosser Fürsatz69 sich mit Macht nicht aus läst führen

Muß in ein Schrecken-Bild sein Glantz sich nur verliren:

Denn wächst mehr Müh' auff Müh' und wenig wird verbracht.

Wenn das gesteckte Zil den Sachen wird gemacht

Erwarten hir und dar verlangens-volle Hauffen /

Ob den und wie das Werck zu Ende könne lauffen.

Was hat das weitte Land nun so vil Jahr begehrt?

Wer hat mit frembdem Zwang der Britten Heer beschwert?

Man hat / (und mit was Recht?) der siben Erndten toben /

Auff uns / die selbst verdruckt / und unsern Kopff geschoben /

Der sich nicht schuldig weiß. Wie? möcht es denn nicht seyn /

Daß man mit höchstem Fleiß griff allem Rasen ein?

Vnd hämm'te dise Flut? die ungehämm't sich häuffet /

Vnd brausend über Land und Volck das Land ersäuffet /

Vnd überschwemmen wird / und war ein Mittel dar /

Das besser zu dem Zweck' als diser Handel war?

In welchem (wie es selbst dem Parlament gefallen)

Wir beyderseits bemüht dem Friden nach-zu wallen.

Diß Pflaster hätte Schmertz und Wunden stracks geheilt /

Wenn nicht ein sigend Heer uns in den Weg geeilt /

Ein Heer / das sich erkühnt (O Greuel außzusprechen!)

Mich Haubtfeind! mich Tyrann zu nennen / und zu brechen

Die mir verschworne Pflicht. Vrtheile nun die Welt

Ob ich mein offen Hertz nicht redlich vorgestellt:

Ob ich mich nicht erklärt auffrichtig zu vergönnen:

Was Freund / was Vnterthan / ja Feind! begehren können?

Doch nein! es ging nicht an bey dem der seine Macht

Vnd frechen Ehrgeitz mehr / denn aller Heil bedacht.[86]

Mein schmacht- und sterbend Volck erquickte dises Hoffen:

Wie aber Ach! wie hat der Außgang eingetroffen?

Was aber klagt ihr an? vor ging ich wenig ein.

Itzt leider nur zu vil! und muß verdammet seyn!

Weil ich das Schwerdt entblöst / trug ich beschimpffte Bande:

Vnd nun ich Friden wil / laß ich den Kopff zu Pfande!

Habt ihr zum Fürsten mich und König nicht gekrönt?

Warumb denn werd' ich itzt mehr als ein Sclav' verhönt?

Ich könte Frau' und Kind in Wollust bey mir wissen:

Itzt muß ich Frau und Kind und Ruh' und Friden missen!

Mir schwur mein Vnterthan: itzt bin ich mehr denn Knecht!

Gebt Antwort! sprecht frey aus! sind eure Sachen recht;

Klagt Carols Raths-Leut' an: ihr habt sie mir genommen:

Vnd nun kein treuer Mann mir darff vor Augen kommen

Nun ich mit Gott allein / allein zu rathe geh:

Wen tadelt ihr bey mir? Ach! überhaufftes Weh!

Je mehr ich mich bemüht den Friden zu erjagen:

Je mehr seyd ihr bemüht mein Eyvern außzuschlagen.

Was wolt ihr denn von mir / wenn ihr euch nichts erklärt:

Ja wenn ihr selber nicht mehr wisst was ihr begehrt?

Denckt nach! ich forder euch und eur verstockt Gewissen:

Es zeug' ob ich mich nicht nach euren Wundsch beflissen?

Vnd da ichs falsch gemeint' so geh der Himmel an /

Vnd schicke seinen Blitz / so häfftig als er kan

Auff mein verdammtes Haubt. Da aber mein Bemühen

(Wie meine Seel außsagt!) ging zu des Landes blühen;

Warumb denn daß man mich in derer Klauen läst /

Die nur mein Blut begehrt? ob schon die scharffe Pest

Mit heilig-seyn sich schminckt / ob man mit Lämmer-Fellen

Den Wölffsbalg überzeuht; man kan sich nicht verstellen!

Diß sag ich rund: das nichts dem Friden widersteh:

Den derer Eigensinn / die / ringend nach der Höh /

Aus Knechten sich erkühnt / als Meister zu regiren /[87]

Vnd in des Königs Thron den Pövel einzuführen.

Wer dise Gründ auffhebt / reist nur nicht alles ein:

Er muß des Vntergangs auch selbst gewärtig seyn.

Wer nach der Klinge greifft / muß durch die Kling' auff-fligen:

Wer durch Tumult' auffsteigt: wird plötzlich unterligen.

Ein leichter Wetterhan verändert für und für

Vnd hass't den Wechsel selbst. Verkehrt er etwas hir:

So bricht er dort es ein / und kan durch thöricht Irren /

Nichts als / Sinn / Kirch / und Stat / und Ständ / und Reich verwirren.

Biß ihn von disem Schein ein toller Haß abdringt /

Vnd er / durch Wahn getrotzt in tiffer' Elend springt.

Ich weiß / daß nichts als Zeit / die Rotten auff kan heben:

In dessen greifft die Pest gantz Albion ans Leben

Vnd steckt die Glider selbst mit scharffem Außsatz an /

Daß kein halb faulend Aaß so grausam richen kan

Wenn sich der bange Stanck bey heissem Tag erhebet /

Vnd durch die schwere Lufft mit sichen Dünsten schwebet;

Vnd wie man selbst den Ort von disem Scheusall fleucht:

So wird / (wenn nun die Gifft durch manches Jahr verzeucht)

Mein müdes Britten Land sich selbst voll Haß anspeyen /

Vnd wütten wider die / die man der That wird zeihen.

Noch eins / und diß zu letzt. Gott! aller Printzen Gott!

Mag Zeug und Richter seyn: daß ich biß in den Tod /

Daß ich ohn alles Falsch umb Friden mich bemühet.

Das ewigscheinend Aug daß in die Hertzen sihet /

Siht: daß ich so vil Recht von meinem Recht nachliß

Als mich in disem Werck mein rein Gewissen hiß.[88]

Es siht / daß nichts das Licht / der wahren Fridens Sonne /

Der so in meinem Land durchaus verhofften Wonne /

In einem Nun verdeckt / als die verfluchte Wolck

Die ein auff seinen Printz mit Stahl gerüstet Volck

In diser Lufft erweckt. Lass't nun die Welt aussagen;

Ob einem Läger frey so grause That zu wagen!

Vnd wider Recht und Eyd dem Reich zu wider stehn.

Ja mit dem Reich und Recht und Freyheit durch zu gehn.

Ein frembder Außgang muß auff solch Beginnen lauffen /

Der Thamm und Wall umbreist und läst das Land ersauffen.

Wenn Carl den Handel nur für seinen Kopff begehrt /

So hät es etwas Schein daß sich das Heer beschwert /

Nun selbst das Parlament / durch meistes Land bezwungen

Mich zu dem Fridens Werck hat beyderseits gedrungen;

Warumb werd' ich verdacht? daß ich mit Recht und Gott

Ihn die nicht falsche Treu durch dise Faust anbott?

Ich zweiffel ferner nicht / der Nebell sey verschwunden /

Vnd aller wachsamb Aug und Hertz hab itzt gefunden /

Wer die gewündschte Ruh' in Albion verletzt:

Vnd das bestürtzte Land in neuen Brand gesetzt.

Es weiß der alles weiß / daß mich mein Leyd nicht kräncke:

(Mir fällt kein Angst zu schwer!) wenn ich mein Volck bedencke

Zutreufft mein Hertz in Blut / sein Elend greifft mich an!

Mein Volck / das sich nicht selbst als ich mich trösten kan.

Gott stärcke sie und mich nach unsers Trübsals Grösse /

Vnd mehre die Geduld als tiff die Hertzens Stösse.

Ich / nun der Feinde Rach' ihr Garn hat abgewebt /

Bin mehr bereit den Leib / der nur zu vil gelebt /

Bin mehr bereit die Cron / und Geist zu übergeben /

Als sie behertzt ihr Beil itzt auff mich auffzuheben.

Mein sterbend Antlitz siht das sich der Himmel färb'

Vnd schwanger geh mit Glutt und in dem Blitz verderb'[89]

(In dem die Rach' abtreufft in dicker Wetter Regen)

Die hochverdammte Schar die mit entblöstem Degen

Dem Friden widersteht. Denn wie er Segen gibt

Dem / der gerechten Frid' erhält und Friden libt:

So muß sein heisser Fluch auff derer Seelen brennen

Die Krig und Blut erquickt. Gott läst mich itzt erkennen;

Daß er mich gegen sie und ihren Grimm bewehrt.

Kommt! Carl ist unverzagt! entblöst das tolle Schwerdt!

Last die vergifften Pfeil auff unser Hertz abfligen!

Die Brust ist wol verwahrt! Carl wird nicht unterligen!

Gott ist mein Fels und Schild! was geht uns weiter an /

Was ein verstockter Mensch auff mich beschlissen kan?

Du vorhin mein Palast! itzt deines Königs Kercker!

Mit Seufftzen itzt / vorhin mit Wonn' erfüllter Aercker!

Ihr / die ihr vil zu klein zu Carols höchster Pracht /

Weil uns der Himmel rufft. Ich scheide! gutte Nacht!

Komm Wentworts werthe Seel! ich wil den Frevel büssen!

Ich wil wie du den Tod: ich wil das Mord-Beil küssen!

Erlöser blick' uns an! Erlöser! Ach verzeih!

Erlöser nimm' uns auff! Erlöser steh uns bey!


Hugo Peter allein.


Nunmehr hab ich genung70 das Elend hir gebauet;

Nach dem mein Augen / Herr! den schönen Tag geschauet.

Vergönne wenn du wilst daß ich im Frid hinfahr!

Man führt den Wütericht zu seiner Todten-Baar.

Der Barrabas verfält! und muß die Schuld zu büssen /

Durch den verfluchten Tod sein grausam Leben schlissen.

Dein Allmacht spür ich / Herr! würckt itzt zu unserm Heil /

Vnd waffnet Straff und Rach mit dem gerechten Beil.

Du gibst der Heilgen Schar Macht Könige zu binden;

Vnd Ed'len in die Kett' und Fessel einzuwinden.

Wer hat es je vermeint? das Licht zilt auff den Tag /

Ja bildet deutlich ab / wie nach dem letzten Schlag[90]

Der dise Welt in Grauß in einem Nun wird legen;

Wir werden über Reich und König Vrtheil hegen /

Vnd richten was sich / Gott / je wider dich verschwor /

Vnd irrd'scher Götter Stul vor deinen Thron erkohr.

Man eilt! ich muß voran! eh wolt ich tausend Leben

Auffsetzen / als mich itzt des Wunderblicks begeben /

Des Wunderblicks / nach dem ich nichts zu schaun begehr.

Was hat die Welt / daß sie nach dem zu schaun gewehr?


Fairfaxen Gemahlin. Ein Edelknabe.


Der Feldherr (was ich auch gesucht) ist nicht zu finden.71

GEMAHLIN.

Gerechter Gott! Ach! soll mein Hoffen so verschwinden?

Wie stehts umb Jacobs Hoff?

EDELKNABE.

Man rennt zu Fuß und Roß.

Man führt den König gleich fort nach dem weissen Schloß.

GEMAHLIN.

Ach! sag an / wessen Heer zu dem Geleit erkohren;

EDELKNABE.

Huncks / Axels / Hackers / Phrays.

GEMAHLIN.

Ach! alles ist verlohren!

Stracks nim den besten Hengst / renn' und komm nicht zu mir;

Du bringst mein Ehgemahl dann auff mein Wort mit dir.


Fairfaxen Gemahlin. I. Obriste.


Ist diß gegebne Treu! ist diß sein hoch Versprechen?

Scheut Fairfax sich nicht Wort und hohen Schwur zu brechen?

Wo ist die erste Glutt / der hart verknüpfte Bund?

Bin ichs / die stets vorhin in seinem Hertzen stund?

Ehrloser pflegst du so mit Hand und Eyd zu schertzen?[91]

Verstehst du nicht was Ruhm? vergist du meiner Schmertzen?

Wie? oder windet Furcht das Glück aus deiner Faust?

Vnd bebst du nicht vor dem ob dem der Erden graust?

Hast du die Helden nicht die sich mit mir verbunden;

Wol zu der That gesinnt und nicht bereit gefunden?

Warumb verbirgst du mir Vntreuer dein Gesicht?

So ists! wer Arges denckt / wer schuldig; scheut das Licht.

O Himmel! was beklemmt mir die gepresten Sinnen!

Ich fühle daß mir Krafft und Seele wil zerrinnen.

Die Brust klopfft. Schau ich den / der neulichst mir verhiß

Was er / O Schand / O Schmach! heut' unterwegen liß?

I. OBERSTE.

Man schreib es mir nicht zu das Fairfax nicht erbeten.

GEMAHLIN.

Der Muts und Eyvers voll schwur mit euch umbzutreten.

I. OBERSTE.

Hat sie ihn / wie ich hör / auff ihre Meinung bracht?

GEMAHLIN.

Vollkommen / gestern spät' und eh der Tag erwacht.

I. OBERSTE.

Hilff Gott! wie daß er sich denn nicht heut' uns erklähret.

GEMAHLIN.

Wie / daß ihr nicht vollführt was er an euch begehret?

I. OBERSTE.

Wir stunden beyde ja zu seinem Dinst bereit.

GEMAHLIN.

Wie das so ruchloß dann verschertzt die schönste Zeit?

I. OBERSTE.

Ach leider! ach ich spür' es / was von uns versehen!

GEMAHLIN.

Es ist umb ihn und euch und Carols Haubt geschehen.

I. OBERSTE.

O kaum erhörter Fall! O Irrthum sonder gleich.

GEMAHLIN.

Welch Irrthum? fördert diß den ungeheuren Streich?

I. OBERSTE.

Er hat uns seinen Schluß zu dunckel vorgetragen.

GEMAHLIN.

Warumb erkühnt ihr euch nicht ihn umb Licht zu fragen?

I. OBERSTE.

Sein Sorgenvoll Gesicht schloß (dünckt mich) unsern Mund.[92]

GEMAHLIN.

Er sorgte; weil ihr ihm verhölt des Hertzens Grund.

I. OBERSTE.

Ach daß sie nicht vorhin das minst uns liß entdecken!

GEMAHLIN.

Mein Vorsatz war / durchauß nicht Argwohn zu erwecken.

I. OBERSTE.

O Vnfall der uns auch mit seinem Blutt bespritzt!

GEMAHLIN.

O Stral! der meine Seel' auffs schärffst' unheilsam ritzt!

I. OBERSTE.

Carl felt durch jener Spruch; und stirbt durch unser Schweigen.

GEMAHLIN.

Solt ich / mein Fürst! vor dich / auffs Mordgerüste steigen!

O König! Ach wo bleibt mein Ehgemahl?

I. OBERSTE.

Nur Mutt!

Er sucht die Stunde noch zu retten Carols Blutt.

GEMAHLIN.

Wo ist er?

I. OBERSTE.

Er ist gleich / auff der Gesandten bitten;

Vmb etwas Auffschub / nach West-Münster fort geritten.

GEMAHLIN.

Auff! folgt! wo Rettung ist; eilt! steht ihm an der Hand!

Entfernt von mir und euch die unerhörte Schand!

Behertzt das schwere Stück!

I. OBERSTE.

Ich eil.

GEMAHLIN.

Ohn Zeit verliren.

Herr! aller Götter Gott: Laß deinen Beystand spüren!

Bewege Rath und Volck. Beschirme mein Gemahl /

Wo nicht; so reiß mich bald / weg vor des Königs Qual.


Chor der Religion und der Ketzer.


RELIGION.

Herr dem ein reines Hertz / und das sich dir ergeben /

Vnd das dich einig ehrt und einig libt / gefält;

Der du durch Seelen sihst / dem auch was todt muß leben!

Warumb verbannst du mich auff die verdammte Welt?[93]

Warumb doch wohn' ich hir in Mittel grimmer Drachen?

Vnd schlage mein Gezelt bey Mesechs Hütten auff?

Wie lange sol ich noch bey Kedar Läger machen?

Wie lange schwitz ich Blut bey toller Leuen Hauff?

Ach Richter! der durchsiht auch die verdeckten Niren?

Wie lange soll ich noch der Schalckheit Deckel seyn?

Wie lange läst durch mich der Pövel sich verführen?

Vnd geht was Boßheit schleust in meinem Namen ein?

Wer itzt die Wehr ergreifft: ergreifft sie mich zu schützen:

So spricht er / und steckt Land und Kirchen selber an.

Wenn Zwang / wenn eigen Sinn / wenn Auffruhr nicht wil nützen;

Deckt sie mein Nam / und Kleid auff den man pochen kan.

Wer seinen tollen Traum nicht darff zu marckte bringen:

Schminckt ihn mit meiner Tracht und seet Haß und Streit.

Wenn das entdeckte Schwerdt nicht kan die Völcker zwingen

Bricht durch mein Ebenbild die Rachgier Bund und Eyd.

Wer frey ohn alle Scham / ohn alle Furcht wil leben

Vnd was die Kirch einsetzt mit trotzem Fuß zutrit:

Entschuldigt sich mit mir / wer Printzen aus wil heben

Vnd Cronen niderdruckt / bringt meine Larve mit.

Sol ich der Britten Mord auch disen Tag beschönen?

Vnd mit der Fackeln Licht benebeln Carles Tod?

Mein Bräutgam / laß so fern nicht deine Braut verhönen.

Weil ich unschüldig bin ans Königs herber Noth.

Ihr Wolcken brecht entzwey! ich muß den Ort gesegnen

Der mich vor ein Gespenst und Buben-Larven hält.[94]

Denckt Menschen! was euch wird in meinem Schein begegnen:

Ist Rauch und Dunst und Trug! wir scheiden aus der Welt.

DIE KETZER. I.

Halt Schönste! halt! warumb fleuchst du von mir?

II.

Ich halte dich O meine gröste Zir!

III.

Sie selbst ist hin! du hast ein leres Kleidt!

II.

Doch bleibt es mein!

IV.

Vmbsonst ist diser Streit

Mir kompt es zu.

I.

Ich wil es selber gantz.

V.

Es reist entzwey.

VI.

Gib acht auff deine Schantz.

Das Kleid ist mein.

VII.

Vnd mein.

VIII.

Vnd mein.

IX.

Vnd mein.

VI.

Es muß nicht dein und auch nicht dessen seyn!


Die Religion aus den Wolcken.


Geht! geht! und schmückt euch aus mit meines Mantels stücken!

Ein reines Hertz läst sich durch dise nicht erquicken!

Es sucht und findet mich in Gott der Warheit ist.

Vnd der ein reines Hertz zum Wohnhauß ihm erkist.

Quelle:
Andreas Gryphius: Carolus Stuardus. Stuttgart 1972, S. 82-95.
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