Der vierdte eingang.


[78] Exabolius. Nicander. Die trabanten. Leo.


EXABOLIUS.

Wo hält der fürst sich auf?

TRABANTEN.

Er hat diß theil der nacht[78]

Noch sonder ruh allhier voll kummer durchgebracht.

Itzt eilt er unversehns durch die gewölbten gänge!

NICANDER.

Allein?

TRABANTEN.

Wir folgten ihm mit der bewehrten menge.

Er wieß uns stracks zurück und rieff: last uns allein,

Verwahrt theils saal, theils thor, biss Exabol erschein

Und sich Nicander zeig! Heist beyd allhier verziehen,

Biss dass wir nochmahls uns in diß gemach bemühen.

Es sey nun, wie es sey; er ist nicht als er pflag;

Ihm liegt was auf der brust; er wünscht nur nach dem tag

Und fleucht das sanffte bett! Uns ferner ist verholen,

Warum er euch bey nacht zu ruffen anbefohlen.

NICANDER.

Der käyser hält den wolff nur leider! mit dem ohr.

Diß, diß ist, was ihn kränckt. Ich merckt es wohl zuvor,

Dass man durch langes recht sich würde so verweilen,

Biss, Exabol! uns selbst das unglück würd ereilen.

Was denckt man wohl, wormit er diese nacht umgeh?

Was er vor mittel such? in welchem wahn er steh?

Wird man nicht in der stadt sich heimlich unterwinden,

Durch vorbitt oder macht ihn endlich zu entbinden?

Bricht er sich dißmahl loß, so ists, (du wirst es sehn)

Ums käysers cron und leib, um mich und dich geschehn.

EXABOLIUS.

Die sach ist freylich schwer. Doch dass man dem gerichte

Die schuld aufflegen wil, geht nicht. Diß stück ist lichte:

Dass er alsbald verhört, verklagt durch eignen mund,

Selbst durch sich überzeugt, dass er mit gutem grund

Einhellig stracks verdammt. Hierinn ist viel versehen,

Dass nicht dem urtheil auch in eil genug geschehen.[79]

NICANDER.

Warum hat man die frist der rach in weg gelegt?

EXABOLIUS.

Der käyser ward hierzu durch sein gemahl bewegt,

Sie durch das hohe fest.

NICANDER.

Sprich lieber, durch die lehren

Der priester, die sie pflegt als götter anzuhören.

EXABOLIUS.

Wer weiß nicht, was ein weib durch bitt erhalten kan?

NICANDER.

Ja die princessin bat, ein ander trieb sie an.

Warum doch wil die schaar, die dem altar geschworen,

Stets in dem rathe seyn? Sie hört durch euer ohren,

Sie schleust durch euren mund, sie kümmert sich um feld,

Um läger, reich und see, ja um die große welt,

Nur um die kirche nicht! Ist denn so viel verbrochen.

Wenn ein verletzter fürst rechtmäßig sich gerochen?

Gibt gott den printzen nicht das schwerdt selbst in die hand,

Zu straffen frevle schuld, zu schützen ihren stand?

Man muss, es ist nicht ohn, die zeit recht unterscheiden;

Doch, wenn die zeit es selbst, wenn es die noth kan leiden.

Man sucht offt in dem fest zu wunden salb und band

Und kommt mit leschen vor dem angelegten brand,

EXABOLIUS.

Wir müssen, was gefehlt, zu ändern uns bemühen.

Das best ist, dass er nicht so leichtlich wird entfliehen.

Es sey denn:

NICANDER.

Schweig! Der fürst!

LEO.

Es ist mit uns gethan!

Was hoffen wir, nun der auch schifft in diesem kahn,

Dem wir den feind vertraut? Wie sollt uns der nicht zwingen,

Der in den ketten herrscht und die uns ab- kan dringen,

Um die der wächter sitzt![80]

EXABOLIUS.

Was druckt des fürsten geist?

LEO.

Nichts, als dass uns der stock den neuen fürsten weist.

NICANDER.

Den meynt man, der noch kaum zwey nächte wird vollenden?

LEO.

Und gleichwol scepter führt mit den gebundnen händen.

EXABOLIUS.

Was steckt des fürsten sinn in solchen kummer ein?

LEO.

Der kercker, in dem er voll ruh, wir matt von pein.

EXABOLIUS.

Der kercker? Wie?

LEO.

Wir sind gleich aus dem kercker kommen,

Da wir in augenschein die höchste schuld genommen.

Die thore sind verwahrt, der muntern hüter schaar

Besetzte steig und gang, wie anbefohlen war.

Wir schlichen ins gemach, in dem der mörder lieget,

Der zeit zu seiner thurst durch unsre langmuth krieget.

Was schau'ten wir nicht an? Er schlieff in stoltzer ruh,

Gantz sicher, sonder angst. Wir traten näher zu

Und stießen auff sein haupt. Doch blieb er unbeweget

Und schnarchte mehr denn vor.

EXABOLIUS.

Als ein bestürtzter pfleget,

Der blass von todes angst in tieff erstarren fällt.

NICANDER.

Als der, der sich entfreyt von angst und ketten hält.

LEO.

Dieß wieß die ruhstätt aus, an welcher nichts zu finden

Als purpur und scarlat, vorhang, tapet und binden,

Gestickt mit reichem gold, der himmel mit gestein[81]

Durch höchste kunst besetzt. Ihn hüllte purpur ein,

Und was der Sere spint. Die auffgesteckten kertzen

Bestralten aus dem gold den ursprung unsrer schmertzen.

Der Parthen arbeit hat die schlechte wand geziert,

Die erd ist mit gewürck der mohren ausstaffirt.

Endlich! sein kercker ist mehr denn ein fürstlich zimmer,

Und dünckts euch fremde, dass sich unser geist bekümmer?

EXABOLIUS.

Hilf gott! was hören wir?

LEO.

Diß, was wir selbst gesehn.

NICANDER.

Es kommt mir seltzam vor.

LEO.

Hört, was noch mehr zu schmähn!

Der Papias, dem wir den mörder anbefohlen,

Spielt auf dem traurplatz auch und stehet unverholen

Dem ertzverräther bey! Er schlieff vor seinem fuß,

(Weil ja der neue printz auch cäm'rer haben muss.)

EXABOLIUS.

Er lag denn auf der erd?

LEO.

als dem zu thun gehöret;

Der in dem schlaff-gemach des käysers hoheit ehret.

Diß wagt man auf der burg! in unsrer gegenwart!

Man schätzt uns schon für tod.

EXABOLIUS.

Der frevel ist zu hart!

LEO.

Du dunckelreiche zeit! ihr ewiglichte kertzen,

Die von dem schloss der lust abstralt auf unsre schmertzen!

Du einsamkeit der nacht! ihr geister jener welt.

Und die, was unter uns herrscht, in gehorsam hält!

Seyd zeugen ernstes grimms und bürgen teurer schwüre:

Wo wir nicht, ehr die zeit den dritten tag verliehre,[82]

Den mörder und sein volck und anhang und ihr hauß,

Erhitzt durch heilge rach, verkehrt in staub und grauß;

Wo auf den Papias wir das schwerdt so nicht wetzen,

Dass auch die felsen sich vor seiner straff entsetzen,

So müssen wir verjagt, verhöhnt, verspeyt, verlacht,

Entzeptert sonder trost und hoffen tag und nacht

Umirren, weil wir sind, und unter fremden füßen,

Ja rauer dienstbarkeit das harte leben schließen!

Wie dencken wir so weit! Diß ist die letzte nacht,

Die uns der himmel gönnt.

EXABOLIUS.

Der fürst schlag aus der acht,

Was zorn und argwohn dicht! Es ist so fern nicht kommen,

Die treu hat auf der burg so gantz nicht abgenommen.

Fehlt einer oder zwey, es sind viel tausend dar,

Die ihrem käyser hold, die willigst in gefahr

Sich wagen für sein heyl, die ihr verpflichtet leben

Vor sein gekröntes haupt in die rappuse geben.

LEO.

Es ist noch etwas mehr, das seel und sinnen nagt.

EXABOLIUS.

Vergibt der fürst dem, der um sein anliegen fragt?

LEO.

Uns hat noch kurtz vorhin traum oder geist beschweret.

NICANDER.

Der schafft ihm selber angst, der sich an träume kehret.

LEO.

Der himmel hat durch träum offt große ding entdeckt.

EXABOLIUS.

Der wahn hat offt durch träum ein müdes hertz erschreckt.

LEO.

Der traum von Phocas7 hat dem Mauritz nicht gelogen.

EXABOLIUS.

Wer viel auf träume baut, wird allzuviel betrogen.[83]

NICANDER.

Bestürmt ein traum den geist, den nicht der feinde macht,

Den kein bewehrter grimm ie in bestürtzung bracht?

Bestürmt ein traum den geist, vor dem die trotzen hauffen

Der Parthen sich entsetzt, vor dem die Bulgarn lauffen?

Wo sind wir großer fürst?

LEO.

Nicander glaub es fest,

Dass keiner blitzen glantz, kein ungeheure pest

Uns ie den muth benahm! Diß eine, wir bekennen,

War mächtig, fast die seel aus dieser brust zu trennen.

EXABOLIUS.

Der fürst entdeck uns doch das schreckliche gesicht!

LEO.

Kommt! folgt uns!

NICANDER.

Wer in angst, schläfft sonder argwohn nicht.


Quelle:
Andreas Gryphius: Werke in drei Bänden mit Ergänzungsband. Band 2, Darmstadt 1961, S. 78-84.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Leo Armenius
Leo Armenius

Buchempfehlung

Tschechow, Anton Pawlowitsch

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon