7.

Christi Anklage vor dem Prister vnd Petri Fall

[119] In der Melodie. Hilff Gott das mirs gelinge.


1.

Der Prister/ dehn erkohren

Gott selbst von Ewigkeit:

Der alle/ die verlohren/

Von Noth vnd Fluch befreit:

Vnd durch sein eigen Blutt außsöhnt/

Wird vor der Priester Ohren

Verklaget vnd verhönt.


2.

Die Priester selber trachten

Nach seinem Vntergang/[119]

Die Priester selbst verachten

Dehn/ der die Hell im Zwang/

Dehn/ der den Todt in Banden hält;

Vor dem die Teuffel schmachten/

Der Erden Lösegeld.


3.

Hannas schaut seine Bande

Mit höchster Wollust an/

Vnd schickt mit Hohn vnd Schande

Den Niemand tadeln kan/

Dem Caiphas seinem Aydam hin:

Daß Er sein Blut dem Lande

Vergiesse zum Gewin.


4.

Der Schrifft-erfahrnen Hauffen/

Erhitzt auff seinen Tod/

Kompt embsig zugelauffen/

Vnd der sich vor erbot

Sein Beyseyn/ durch Weh/ Ach vnd Schmach/

Vnd Blutt vnd Creutz zu kauffen/

Folgt kaum von ferne nach.


5.

Doch durch noch eines bitten/

Der Caiphas Kundschafft hat/

Vnd der/ die dar muß hütten

Gelangt Er/ wo der Rath

Vnrechtes Recht vnd Vrthell hegt/

Daselbst war in der Mitten

Ein Feuer angelegt.


6.

Ob schon die Glut vmbgeben

Rings vmb von Dienern war;

Setzt Er sich doch darneben/

Vnd denckt frey von Gefahr

Den Außgang dieses Sturms zu sehn/

In welchem auff das Leben

Deß Todes Winde wehn.
[120]

7.

Der Priester forscht vnd fraget;

Was hast du doch gelehrt?

Wehm hat dein Wahn behaget?

Wer hat dir zugehört?

Ich hab es frey/ fangt Jesus an/

Vnd vor der Welt gesaget/

Wie ieder zeugen kan.


8.

Die in dem Tempel leben/

Nach dem das gantze Land

Sich pfleget zuerheben/

Wer sich zur Schulen fand/

Darinn Ich Tag vor Tag gelehrt/

Kan Red vnd Antwort geben/

Was Er von Mir gehört.


9.

Gibt einer der Gefangen/

(So rufft ein schnöder Knecht.)

Der so viel hat begangen/

Gantz wider Sitt' vnd Recht

Dem Hohenpriester den Bescheid?

Bald schlägt Er auff die Wangen

Den Printz der Herrligkeit.


10.

Hab ich zu frech gesprochen?

Spricht Jesus: Thu es dar!

Hab ich denn nichts verbrochen/

Sind meine Worte klar/

Wie/ daß man mich ohn Vrsach schlägt/

Vnd nur mit Trotz vnd Pochen

Die Warheit widerlegt?


11.

Als Petrus noch verhanden/

Spricht eine Magd: fürwar

Er kennt den/ der in Banden/

Vnd ist auß seiner Schaar.

Nein/ sagt Er: Ich weiß von Ihm nicht/

Vnd geht bestürtzt mit Schanden

Auß ihrem Angesicht.
[121]

12.

Der Hahn fing an zu krehen/

Er eilet nach dem Thor/

Bald als Er da ersehen

Tritt eine Magd hervor

Vnd spricht: Dich hat man auch verspürt

Bey Jesu/ da geschehen

Daß Er das Volck verführt.


13.

Nein spricht Er: Ich kans sagen/

Daß Er mich nichts angeh/

Ja daß ich deine Fragen

O Weib/ auch nicht versteh.

Herr gibt sich der so leichtlich bloß

Der mit dir alle Plagen

Zutragen sich entschloß!

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 119-122.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon