[Dir Herr der Herrligkeit]

[101] Dir Herr der Herrligkeit danckt dein verpflichtet Kind

Das sich vor deine Füß in Jesu Nahmen find/

Und in des Geistes Krafft/ der Abba ruffen lehret/

In tieffster Niedrigkeit/ dich seinen Vater ehret.


2.

Du bists/ der mich mir selbst/ und was ich an mir hab'

Und was ich vor mir seh' aus lauter Liebe gab.

Du bists der mich ans Licht aus Mutterleibe führte:

Mit Gliedern Haut und Fleisch/ Verstand/ Vernunfft auszierte.


3.

Du bists der mich biß heut' auf diese Stund ernehrt/

Der/ wann kein Mittel mehr/ viel Mittel hat beschert/

Der wañ der Zeiten Sturm mich Blöden wolt ersauffen/

Mich mit der Vater Hand zog aus den gri isten Tauffen.


4.

Du bists/ der mich so hoch da ich dein Feind geschätzt/

Daß du dein einigs Kind vor mich hast aufgesetzt/

Daß ich durch dessen Dienst die Freyheit möcht ererben

Schenckst du das Leben mir durch sein erschrecklich Sterben.


5.

Ich werde durch sein Blut von meinen Greueln rein/

Und geh' durch seine Schmach ins Reich der Ehren ein.

Er zahlet mein Schuld/ er ist vor mich verhöhnet/

Er trug den Fluch vor mich/ durch ihn bin ich versöhnet.


6.

Er schenckt/ was er erwarb/ mir gantz zum Eigenthum/

Er gibt mir seinen Geist/ sein Unschuld ist mein Ruhm;

Sein Fleisch ist meine Speiß/ Er reist mich aus den Stricken

Der Höll/ und wil mein Hertz mit seinem Blut erquicken.


7.

Er zeiget mir den Weg zur höchsten Herrligkeit/

Er ist die Warheit selbst und führt aus Zanck und Streit.

Er ist/ (O Wunder-Lieb! O höchste Treu!) das Leben/[101]

Er ists/ der alles mir zugleich mit sich gegeben.


8.

Dir Herr der Herrligkeit danckt dein verpflichtet Kind/

Das sich für deine Füß' in Jesu Nahmen find/

Und in des Geistes Krafft/ der Abba ruffen lehret/

In tieffster Niedrigkeit dich seinen Vater ehret.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 3, Tübingen 1963, S. 101-102.
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