[80] Empedokles. Pausanias.
PAUSANIAS.
Es ist geschehen, schicke nun auch mich
Hinweg! Dir wird es leicht!
EMPEDOKLES.
O nicht!
PAUSANIAS.
Ich weiß es wohl, ich sollte so nicht reden
Zum heilgen Fremdlinge, doch will ich nicht
Das Herz im Busen bändigen. Du hasts
Verwöhnt, du hast es selber dir erzogen –
Und meinesgleichen dünkte mir noch, da
Ein roher Knab ich war, der Herrliche,
Wenn er mit Wohlgefallen sich zu mir
Im freundlichen Gespräche neigt', und mir[80]
Wie längstbekannt des Mannes Worte waren,
Das ist vorbei! vorbei! O Empedokles!
Noch nenn ich dich mit Namen, halte noch
Bei seiner treuen Hand den Fliehenden,
Und sieh! mir ist, noch immer ist es mir,
Als könntst du mich nicht lassen, Liebender!
Geist meiner glücklichen Jugend, hast du mich
Umsonst umfangen, hab ich dir umsonst
Entfaltet dieses Herz in Siegeslust
Und großen Hoffnungen? Ich kenne dich
Nicht mehr. Es ist ein Traum. Ich glaub es nicht.
EMPEDOKLES.
Verstandest du es nicht?
PAUSANIAS.
Mein Herz versteh ich,
Das treu und stolz für deines zürnt und schlägt.
EMPEDOKLES.
So gönn ihm seine Ehre doch, dem meinen.
PAUSANIAS.
Ist Ehre nur im Tod?
EMPEDOKLES.
Du hasts gehört,
Und deine Seele zeugt es mir, für mich
Gibts andre nicht.
PAUSANIAS.
Ach! ists denn wahr?
EMPEDOKLES.
Wofür
Erkennst du mich?[81]
PAUSANIAS innig.
O Sohn Uraniens!
Wie kannst du fragen?
EMPEDOKLES mit Liebe.
Dennoch soll ich Knechten gleich
Den Tag der Unehr überleben?
PAUSANIAS.
Nein!
Bei deinem Zaubergeiste, Mann, ich will nicht
Will nicht dich schmähn, geböt es auch die Not
Der Liebe mir, du Lieber! stirb denn nur
Und zeuge so von dir. Wenns sein muß.
EMPEDOKLES.
Hab
Ichs doch gewußt, daß du nicht ohne Freude
Mich gehen ließest, Heldenmütiger!
PAUSANIAS.
Wo ist denn nun das Leid? umwallt das Haupt
Dir doch ein Morgenrot und Einmal schenkt
Dein Auge noch mir seine kräftgen Strahlen.
EMPEDOKLES.
Und ich, ich küsse dir Verheißungen
Auf deine Lippen: mächtig wirst du sein,
Wirst leuchten, jugendliche Flamme, wirst,
Was sterblich ist, in Seel und Flamme wandeln,
Daß es mit dir zum heilgen Aether steigt.
Ja! Liebster! nicht umsonst hab ich mit dir
Gelebt, und unter mildem Himmel ist[82]
Viel einzig Freudiges vom ersten goldnen
Gelungnen Augenblick uns aufgegangen,
Und oft wird dessen dich mein stiller Hain
Und meine Halle mahnen, wenn du dort
Vorüberkömmst, des Frühlings, und der Geist
Der zwischen mir und dir gewesen dich
Umwaltet, dank ihm dann, und dank ihm itzt!
O Sohn! Sohn meiner Seele!
PAUSANIAS.
Vater! danken
Will ich, wenn wieder erst das Bitterste
Von mir genommen ist.
EMPEDOKLES.
Doch, lieber, schön
Ist auch der Dank, solange noch die Freude,
Die Scheidende, verzieht bei Scheidenden.
PAUSANIAS.
O muß sie denn dahin? ich faß es nicht,
Und du? was hülf es dir
EMPEDOKLES.
Bin ich durch Sterbliche doch nicht bezwungen,
Und geh in meiner Kraft, furchtlos hinab
Den selbsterkornen Pfad; mein Glück ist dies,
Mein Vorrecht ists.
PAUSANIAS.
O laß und sprich nicht so
Das Schröckliche mir aus! Noch atmest du,[83]
Und hörest Freundeswort, und rege quillt
Das teure Lebensblut vom Herzen dir,
Du stehst und blickst und hell ist rings die Welt
Und klar ist dir dein Auge vor den Göttern.
Der Himmel ruht auf freier Stirne dir,
Und, freudig aller Menschen, überglänzt,
Du Herrlicher! dein Genius die Erd,
Und alles soll vergehn!
EMPEDOKLES.
Vergehn? ist doch
Das Bleiben, gleich dem Strome den der Frost
Gefesselt. Töricht Wesen! schläft und hält
Der heilge Lebensgeist denn irgendwo,
Daß du ihn binden möchtest, du den Reinen?
Es ängstiget der Immerfreudige
Dir niemals in Gefängnissen sich ab,
Und zaudert hoffnungslos auf seiner Stelle,
Frägst du, wohin? Die Wonnen einer Welt
Muß er durchwandern, und er endet nicht. –
O Jupiter Befreier! – gehe nun hinein,
Bereit ein Mahl, daß ich des Halmes Frucht
Noch Einmal koste, und der Rebe Kraft,
Und dankesfroh mein Abschied sei; und wir
Den Musen auch, den holden, die mich liebten,
Den Lobgesang noch singen – tu es, Sohn!
PAUSANIAS.
Mich meistert wunderbar dein Wort, ich muß
Dir weichen, muß gehorchen, wills, und will
Es nicht.
Geht ab.
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Der Tod des Empedokles
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