Fünfter Auftritt

[80] Empedokles. Pausanias.


PAUSANIAS.

Es ist geschehen, schicke nun auch mich

Hinweg! Dir wird es leicht!

EMPEDOKLES.

O nicht!

PAUSANIAS.

Ich weiß es wohl, ich sollte so nicht reden

Zum heilgen Fremdlinge, doch will ich nicht

Das Herz im Busen bändigen. Du hasts

Verwöhnt, du hast es selber dir erzogen –

Und meinesgleichen dünkte mir noch, da

Ein roher Knab ich war, der Herrliche,

Wenn er mit Wohlgefallen sich zu mir

Im freundlichen Gespräche neigt', und mir[80]

Wie längstbekannt des Mannes Worte waren,

Das ist vorbei! vorbei! O Empedokles!

Noch nenn ich dich mit Namen, halte noch

Bei seiner treuen Hand den Fliehenden,

Und sieh! mir ist, noch immer ist es mir,

Als könntst du mich nicht lassen, Liebender!

Geist meiner glücklichen Jugend, hast du mich

Umsonst umfangen, hab ich dir umsonst

Entfaltet dieses Herz in Siegeslust

Und großen Hoffnungen? Ich kenne dich

Nicht mehr. Es ist ein Traum. Ich glaub es nicht.

EMPEDOKLES.

Verstandest du es nicht?

PAUSANIAS.

Mein Herz versteh ich,

Das treu und stolz für deines zürnt und schlägt.

EMPEDOKLES.

So gönn ihm seine Ehre doch, dem meinen.

PAUSANIAS.

Ist Ehre nur im Tod?

EMPEDOKLES.

Du hasts gehört,

Und deine Seele zeugt es mir, für mich

Gibts andre nicht.

PAUSANIAS.

Ach! ists denn wahr?

EMPEDOKLES.

Wofür

Erkennst du mich?[81]

PAUSANIAS innig.

O Sohn Uraniens!

Wie kannst du fragen?

EMPEDOKLES mit Liebe.

Dennoch soll ich Knechten gleich

Den Tag der Unehr überleben?

PAUSANIAS.

Nein!

Bei deinem Zaubergeiste, Mann, ich will nicht

Will nicht dich schmähn, geböt es auch die Not

Der Liebe mir, du Lieber! stirb denn nur

Und zeuge so von dir. Wenns sein muß.

EMPEDOKLES.

Hab

Ichs doch gewußt, daß du nicht ohne Freude

Mich gehen ließest, Heldenmütiger!

PAUSANIAS.

Wo ist denn nun das Leid? umwallt das Haupt

Dir doch ein Morgenrot und Einmal schenkt

Dein Auge noch mir seine kräftgen Strahlen.

EMPEDOKLES.

Und ich, ich küsse dir Verheißungen

Auf deine Lippen: mächtig wirst du sein,

Wirst leuchten, jugendliche Flamme, wirst,

Was sterblich ist, in Seel und Flamme wandeln,

Daß es mit dir zum heilgen Aether steigt.

Ja! Liebster! nicht umsonst hab ich mit dir

Gelebt, und unter mildem Himmel ist[82]

Viel einzig Freudiges vom ersten goldnen

Gelungnen Augenblick uns aufgegangen,

Und oft wird dessen dich mein stiller Hain

Und meine Halle mahnen, wenn du dort

Vorüberkömmst, des Frühlings, und der Geist

Der zwischen mir und dir gewesen dich

Umwaltet, dank ihm dann, und dank ihm itzt!

O Sohn! Sohn meiner Seele!

PAUSANIAS.

Vater! danken

Will ich, wenn wieder erst das Bitterste

Von mir genommen ist.

EMPEDOKLES.

Doch, lieber, schön

Ist auch der Dank, solange noch die Freude,

Die Scheidende, verzieht bei Scheidenden.

PAUSANIAS.

O muß sie denn dahin? ich faß es nicht,

Und du? was hülf es dir

EMPEDOKLES.

Bin ich durch Sterbliche doch nicht bezwungen,

Und geh in meiner Kraft, furchtlos hinab

Den selbsterkornen Pfad; mein Glück ist dies,

Mein Vorrecht ists.

PAUSANIAS.

O laß und sprich nicht so

Das Schröckliche mir aus! Noch atmest du,[83]

Und hörest Freundeswort, und rege quillt

Das teure Lebensblut vom Herzen dir,

Du stehst und blickst und hell ist rings die Welt

Und klar ist dir dein Auge vor den Göttern.

Der Himmel ruht auf freier Stirne dir,

Und, freudig aller Menschen, überglänzt,

Du Herrlicher! dein Genius die Erd,

Und alles soll vergehn!

EMPEDOKLES.

Vergehn? ist doch

Das Bleiben, gleich dem Strome den der Frost

Gefesselt. Töricht Wesen! schläft und hält

Der heilge Lebensgeist denn irgendwo,

Daß du ihn binden möchtest, du den Reinen?

Es ängstiget der Immerfreudige

Dir niemals in Gefängnissen sich ab,

Und zaudert hoffnungslos auf seiner Stelle,

Frägst du, wohin? Die Wonnen einer Welt

Muß er durchwandern, und er endet nicht. –

O Jupiter Befreier! – gehe nun hinein,

Bereit ein Mahl, daß ich des Halmes Frucht

Noch Einmal koste, und der Rebe Kraft,

Und dankesfroh mein Abschied sei; und wir

Den Musen auch, den holden, die mich liebten,

Den Lobgesang noch singen – tu es, Sohn!

PAUSANIAS.

Mich meistert wunderbar dein Wort, ich muß

Dir weichen, muß gehorchen, wills, und will

Es nicht.


Geht ab.


Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Stuttgart 1962, S. 80-84.
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