Der Gärtner an den Garten im Winter,

[14] eine Idylle


In Silberhüllen eingeschleyert

Steht jetzt der Baum,

Und strecket seine nackten Äste

Dem Himmel zu.


Wo jüngst das reife Gold des Fruchtbaums

Geblinket, hängt

Jetzt Eiß herab, das keine Sonne

Zerschmelzen kan.


Entblättert steht die Rebenlaube,

Die mich in Nacht

Verschloß, wenn Phoebus flammenathmend

Herniedersah.


Das Blumenbeet, wo Florens Töchter

In Morgenroth

Gekleidet, Wohlgeruch verhauchten,

Versinkt in Schnee.


Nur du, mein kleiner Buchsbaum, pflanzest

Dein grünes Haupt

Dem Frost entgegen, und verhöhnest

Des Winters Macht.


Mit Goldschaum überzogen, funkelst

Du an der Brust

Des Mädchens, das die Dorfschalmeye

Zum Tanze ruft.
[14]

Ruh sanft mein Garten, bis der Frühling

Zur Erde sinkt,

Und Silberkränze auf die Wipfel

Der Bäume streut.


Dann gaukelt Zephyr in den Blüthen,

Und küßet sie,

Und weht mir mit den Düften Freude

In meine Brust.
[15]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 14-16.
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