Lied eines befreyten Türkensklaven

[157] Gottlob, daß keine Kette mehr

An diesem Arme klirrt;

Kein Teufel, mit gezücktem Wehr,

Mich Rudernden umirrt!

Frey bin ich, wie das Vogelheer,

Das durch die Lüfte schwirrt!

Gottlob, daß keine Kette mehr

An diesem Arme klirrt!


Der ganze Himmel schwebt um mich,

Die Schöpfung ist mir neu;

Dich fühl ich, süße Freyheit, dich,

Gott! frey bin ich, bin frey!

Der Bliz des Christen fraß dein Bot,

Du wütiger Korsar;

Sein Donner brüllte Höll und Tod

Auf deine Räuberschaar.


Schon wimpelte das Siegspanier,

Schon tönte Siegsgesang;

Die Eisenkett' entklirrte mir

An meiner Ruderbank.

Nun flieg ich meinem Rheine zu,

Nach dem ich oft geweint;

Und sind an seinen Ufern Ruh,

Ein Weib, und einen Freund.
[157]

Und trink aus meinem Taumelkrug,

Mit Weinbeerblüth umlaubt;

Und jedem Fürsten trink ich Fluch,

Der uns die Freyheit raubt.

Und Segen jedem Biedermann,

Aus meinem Taumelkrug,

Der wider deine Wuth, Tyrann,

Die Freyheitsfahne trug!
[158]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 157-159.
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