Aertzte.

[6] Aertzte betriegen 1) wenn sie alle und jede Patienten / so viel nur ihrer Hülff begehren, um des schnöden Gewinsts willen annehmen, und gleichwohl, vor alle gnugsame Sorge zu tragen, nicht vermögend seyn. 2) Wenn sie auch die allergeringste Unpäßlichkeit gefährlicher machen als sie eigentlich ist / damit ihnen /wenn der Patient aufkommt / desto mehr vor ihre getragene Sorge und so vielfältig gehabte Mühe, wie auch sehr offt gethane Gänge, verschriebene Recepte und sonst mitgetheilten Rath bezahlet, sie auch desto mehr gerühmet werden mögen / als hätten sie den Patienten gleichsam von Todten errettet, daher auch eifrigst Anlaß geben / daß man vor den Patienten in der Kirchen bitten, auch wohl als vor einen in Todes-Nöthen liegenden, den Hn. Geistlichen bald ruffen soll /wann er aber nun stirbet, sie sich desto besser mit ihrem gethanen Prognostico schützen, als hätte es wohl nicht anders nach der Kranckheit Beschaffenheit werden können. 3) Wenn sie / da sie sehen / daß die Kranckheit nicht gar zu gefährlich / dem Patienten solche Medicamenta verordnen / die weder Schaden noch Nutzen bringen / damit sie denselben nur etliche Wochen aufhalten / und es hernach heissen möge, es sey eine langwierige Kranckheit gewesen, welche dem Medico viele Mühe verursachet. 4) Wenn sie / dem Apothecker zu Gefallen, denen Patienten kostbare Artzneyen verordnen / da doch die Kranckheit wohl mit geringern Mitteln eben so gut hätte können gehoben werden. Wie denn ein gewisser Medicus sich einsten mit Recht beschweret, daß man öffters ohne Noth in[7] den Recepten fünde das Dia-Dia- z.E. Spec. Dia-Ambræ, Dia-Moschi, Dia-Margariticor. etc. welches alles kostbare Medicamenta sind. 5) Wenn sie daher vor dem Apothecker, mit welchem sie in Verständniß sind, sich von jedem Recept, so sie so wohl überhaupt hinein verschreiben / als zumahln so theuer, sich ein gewisses bedingen, und accordiren. 6) Wenn sie gleicher Weise gewisse Barbirer und Bader an sich haben, welchen sie Aderlassen, Schröpffen und dergleichen nicht nur öffters wider allen Willen der Patienten zuweisen / sondern wohl gar die Patienten zu dergleichen ohne Noth persuadiren, damit sie nur ihren Vortheil davon haben mögen. 7) Wann sie arme Dürfftige / von denen sie nicht viel oder gar keine Belohnungen zu gewarten, unter nichtigen Vorwand ermangelender Zeit, Rath- und Hülffloß lassen. 8) Wenn sie / um sich in die Meynung zu setzen / als hätten sie so sehr viel zu verrichten, entweder die Leuthe wenig warten / und wo möglich / einige zusammen kommen lassen / und wohl dennoch sie /ohne abzufertigen, von Zeit zu Zeit aufhalten, oder gar endlich wiederkommen heissen. 9) Wenn sie die Patienten / um Gemächlichkeit willen, unter Vorwand einiger Verhinderung, nicht selber besuchen / sondern junge und unerfahrne Leuthe, welche sie etwan bey sich im Hause haben / hinschicken, und nach deren offt irrigen Relation von der Kranckheit Recepte verschreiben. 10) Wenn sie denen Patienten von gewissen Apothecken, mit welchen sie kein Verständniß haben / als nicht viel tüchtigen abrathen, und hingegen nur diejenigen recommendiren / von welchen sie[8] hinwieder ihren Genuß zu hoffen, ohnerachtet in jenen wohl bessere Artzeneyen, weder in diesen, zu finden. 11) Wenn sie / als Physici bey der Stadt / auf die in Apothecken befindliche Artzneyen, ob sie tüchtig oder nicht / keine genaue Aufsicht haben, sondern denen Apotheckern um derer Geschencke willen, so sie von ihnen empfangen / bey ihren untauglichen ja schädlichen Medicamenten durch die Finger sehen. 12) Wenn sie bey einfallenden contagiösen Zeiten sich zwar als Pestilentiarii verpflichten und bestellen lassen, aber die armen Krancken entweder gar nicht /oder sehr unfleißig, unter allerhand Prætext, auch wohl simulirter selbstigen Unpäßlichkeit wegen, nicht besuchen, folglich die beschworne Pflicht: den Armen umsonst / inter leges abrogatas rechnen. 13) Wenn sie sich vor Medicos oder Aertzte ausgeben, und nicht sind, wie davon die bekannten Verse lauten:


Fingunt se medicos, quivis idiota Sacerdos,

Judæus, monachus, histrio, rasor, anus,

Miles, mercator, cerdo, nutrix & arator.


Item:

Ambubajarum collegia, pharmaco-polæ,

Rastricolæ, molitor, pistor, agaso, faber.


14) Wenn sie sich vieler arcanen Dinge rühmen / und / was vor Curen sie mit ihren Specificis bereits gethan / allenthalben ausschreyen / um sich dadurch einen Nahmen zu machen. 15) Wenn sie nicht nur solche arcana, welche anfänglich vor eine gewisse benahmte / nachgehends aber vor alle Kranckheiten helffen sollen / denen Leuten wider Danck und Willen[9] aufdringen, sondern auch, um in ihrem Gesuch desto glücklicher zu seyn, allerhand kahle und falsche Beschuldigungen und Verleumbdungen gegen den vorher gebrauchten Medicum anbringen. 16) Wenn sie bey ihren Raisonnements von Kranckheiten den Leuthen nach dem Maul schwätzen / ob sie schon offtmahls besser von denen Kranckheiten informirt sind. 17) Wenn sie unter allerhand Vorwand, in der That aber aus Neid und Mißgunst, auch in gefährlichen Kranckheiten auf keinerley Weise einen andern Medicum in der Cur neben sich leiden / noch mit Ihm redlich und aufrichtig communiciren wollen. 18) Wenn sie sich in Kleidungen kostbar und ungemein propre aufführen, um dadurch ein grösseres Ansehen bey ihren Patienten zu gewinnen. 19) Wenn sie die Leute mit Anrechnung derer Kosten vor verschriebene Artzneyen und gethaner Cur unbilliger Weise übersetzen / und das Dat Galenus opes meisterlich zu practiciren wissen. 20) Wenn sie allzu grosses Werck und Rühmens von der Uroscopia oder Beschauung des Harns machen / und allerhand List anwenden, die Umstände zu erforschen und nachgehends denen Patienten oder deren Abgeordneten seltzame Dinge weiß machen wollen, um sich dadurch von dem gemeinen und superstitieusen Volck einen Anlauff zu schaffen.


Mittel: 1) Daß die Patienten sich nicht einem jeglichen Medico, vielweniger allerhand unverständigen /ja gar verdächtigen Leuten / sondern nur solchen ordentlichen Medicis, deren Erfahrenheit / Fleiß und Aufrichtigkeit sie versichert sind / anvertrauen. 2) Daß von hoher Obrigkeit ein ernster Befehl / daß nicht so unzehlich viele Personen[10] von allerhand Stand zum höchsten Schaden der Patienten und andern Euren zu thun / sich verwegener Weise unterstehen solten / ertheilet / anbey aber eine gewisse Verordnung gemacht würde / was die Herren Medici von diesem oder jenem Gange / oder Verschreibung eines Recepts, wie auch von einer Reise aufs Land / Gerichtlicher und anderer Section, Bericht / Consilien etc. und vielen dergleichen haben solten /dabey es denn / falls Ihnen jemand freywillig etwas mehr geben wolte / jedem unverwehrt bliebe. 3) Keine ungraduirter Medicus oder ein dergleichen gebrauchter Substitutus, Krancke zu besuchen und zu curiren / admittiret werde / er seye dann vorhero von einem Collegio Medico examiniret und tüchtig befunden worden.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 6-11.
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