Die Vergötterung

[291] 1728.


An Phyllis.


Holde Phyllis, die Göttinnen

(Traue mir die Wahrheit zu)

Waren anfangs Schäferinnen

Oder Mädchen, so wie du.

Eine, die mit blauen Augen

Mehr als Männerwitz verband,

Konnte zur Minerva taugen

Und erwarb den Götterstand.


Dichterinnen hießen Musen

Und entzückten Herz und Ohr.

Reifer Schönen volle Busen

Bildete die Ceres vor.

Die durch Jugend uns ergötzte

Schien, mit Recht, des Tempels werth,

Den man ihr, als Heben, setzte,

Die der stärkste Held verehrt.


Eine ward, in spröder Blässe

Und in strenger Häuslichkeit,

Hüterin der Feueresse

Und die Vesta jener Zeit.

Die durch Reiz und Unglücksfälle

Sich den Raub der Grobheit sah,[291]

Ward in ihres Ehstands Hölle

Kläglich zur Proserpina.


Majestätische Geberden,

Hoheit, die sich nie vergaß,

Ließen die zur Juno werden,

Die so großen Geist besaß.

Krone, Scepter, Wolken, Pfauen

Mußten ihren Muth erhöhn;

Zum Exempel aller Frauen,

Die das Regiment verstehn.


Ihr so wohlgepaarten Beide:

Schönheit und Empfindlichkeit!

Und auch du, o süße Freude!

Mund, der lächelnd Lust gebeut;

Rosen aufgeblühter Wangen;

Schlaue Blicke; lockigt Haar!

Ihr nur stellet dem Verlangen

Venus oder Phyllis dar.


Phyllis! ja, in jenen Zeiten,

In der alten Götterwelt,

Wären deinen Trefflichkeiten

Gleichfalls Opfer angestellt:

Gleichfalls würden deinen Wagen

Tauben oder Schwäne ziehn,

Dich die Liebesgötter tragen

Und mit mir nach Paphos fliehn.


Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 291-292.
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