Zemes und Zulima

[290] Zemes.


Als noch dein Mund um meine Lippen scherzte,

Als nur mein Arm den weißen Hals umfing,

Da schien es mir, wann ich dich zärtlich herzte,

Daß mich, an Glück, kein Sophi überging.


Zulima.


Eh Zulima (du solltest noch erröthen!)

In deiner Wahl zuletzt Aminen wich,

Da hielte sie die Tochter des Propheten,

Fatimen selbst, nicht halb so groß als sich.


Zemes.


Nun fesselt mich die schönste der Circassen,

Amine nur, ihr Lied und Saitenspiel,

Und ohne Furcht möcht' ich für sie erblassen,

Entfernt mein Tod nur ihrer Tage Ziel.


Zulima.


Ich wußte längst mir Selim zu erwerben,

Des Achmets Sohn, den schönsten Muselmann;[290]

Mit tausend Lust will ich auch zweimal sterben,

Wenn ihm mein Tod das Leben fristen kann.


Zemes.


Wie? wenn die Lieb' uns wiederum verbände,

Wenn ich, den Bund auf ewig einzugehn,

In Zulima das Glück, die Reizung fände,

Die ich in dir, Amine, sonst gesehn?


Zulima.


Mir strahlt kein Stern so schön als Selims Blicke,

Und du bist wild, so wie das schwarze Meer;

Und doch ist mir, wenn ich nur dich beglücke,

Das Leben süß und auch der Tod nicht schwer.


Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 290-291.
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