(LXXVII.)
Die zween Brüder.

[279] Mit Abtheilung der Güter zertheilen sich die Gemüter / haben die alten Teutschen recht gesagt. Das Mein und Dein läst nichts gemein / unn trennet auch die mit Blutfreundschafft verbundene Brüder und Gesippte. Kein Schermesser ist so scharpff / daß ein Glied od' Aederlein / sondern Schmertzen / von den andern absondern könte: Keine Theilung ist so gleich / daß nicht einer von des andern Antheil etwas verlangen sollte / ja mehrmals alles für seinen Theil haben möchte.

2. Der Adel ist ohne Reichthum / der Reichthum ohne[279] Adel nicht vergnüget / und sind alle Menschen so unsättlich / daß niemand mit seinem Zustand / ein jeder aber mit seinem Verstand zufrieden ist. Dieses wird auß folgender Erzehlung umbständig erhellen / und ist dieser etnstandene Zwitracht zwischen beeden Brüdern in dem vornembsten Parlament zu Pariß außfündig gemacht und Mündlich gestritten worden / wie wir nachgehends hören wollen.

3. Vor Alters hat man von keinem Adel in Franckreich und Teutschland / auß welchem die alten Francken / oder Frantzosen herstammen / gewust / als dem er mit Degen / Schild und Helm erlanget worden / und von den Voreltern mit dergleichen Helden-Tugenden auf die Nachkommen geerbet. Heut zu Tage machet die Feder / und hohe Hof- oder Gerichtdienste / und allem Adel obgesetzt. Daher jener recht ein Schild oder Degen und eine Feder in eine Wagschalen mahlen lassen / in die andere aber einen grossen Beutel mit Geldt / und darüber geschrieben: Die Goltwag adelicher Ehren.

4. Ein solcher mit schönen Gaben gezierter Edelmann war ein Schatz- oder Rentmeister deß Königs in Franckreich / der durch einen grossen Vorgriff einen grossen Titel / und doch wenig Verrichtung ergriffen. Nach dem er nun grossen Reichthum gesamlet / hat sich der Todt bey ihm eingefunden / und gesagt / du Narr / heut wird deine Seel von dir genommen werden / und zugleich dein grosses Vermögen von deinen Händen. Das grosse Gut wird dich nicht retten an dem Tag deß Zorns / sondern dich verdammen / weil du deinen Trotz und Trost darauff gesetzt. Der Golt Gott / welcher auß der Erden kommet verstösset in die unterste Hölle / unn wird dein Leib und deine Seele seyn / wo dein Schatz ist hergekommen.

5. Dieser Pfenning Meister hatte nun viel Geldts / unnd ligende Güter hinterlassen / zwo Töchter bey seinen Leibszeiten außgesteurt / und was übrig seinen zweyen Söhnen / zwar ohne letzten Willen erblich zugeeignet. Die ligende Güter waren zinßbare Bauren Höfe / welche er mit Eigen und Erbgerechtigkeiten / so er beedes mit List und Gewalt an sich gebracht /[280] für Aderich dargeben wolt / wider herkommen und den unlangbaren Augenschein. Der älteste Bruder wolte für seinen Antheil alles behalten / nach dem Recht der Erstgeburt bey den Edelleuten. Der jüngste wolte den richtigen halben Theil haben als ein gemeiner Mann / und seines Bruders Gnaden nit leben / und sich mit einer schlechten Außstaffirung abweisen lassen.

6. Also wolte der älteste durch alle Wunder ein Edelmann / der jüngste aber lieber ein reicher Baur / als ein armer von Adel seyn. Die Gerichtlichen Sachwalter / oder Advocaten / welche auch das unstrittige strittig machen können / bringen diese Sachen erstlich an das Untergericht / nachmals als der jüngste ein widriges Urtheil bekommen bey dem Obergericht an / und war die Sache für nachtheilig und nachdencklich gehalten / wie sich auch die Zungendrescher fůr und wider den Adel meisterlich hören lassen.

7. Der Sachwalter deß ältesten rühmte die wohlgelaisten Dienste / die Ehrentitel deß Königlichen Ambts die Verrichtung aller derer / so solche hohe Stelle betretten / ja daß deß Königs selbsten Unehre wäre / wann er einem unedlen Pöbelmann oder unverständigen Bauren seine Renten und Einkůnfften anvertrauen solte. Was der Adel zu Kriegszeiten / das verrichten die Königliche Beambten in Friedenszeiten / und sind die Diener der Gerechtigkeit / welcher Schwert sie führen / wie hingegen die Adelichen Personen ihre Degen vielmals zu der Ungerechtigkeit mißbrauchen: Kürtzlich schliesse er / daß der Beklagte ohne der Richter Schande / für Unedel nicht könte erkläret werden.

8. Der Wortführer deß jüngsten Bruders / erzehlet das Stammregister dieses Geschlechts / sagend / daß ihr Uranherr hätte einen Drischel in dem / Wappen geführet / weil er gewesen ein armer Taglöhner / der sich mit dreschen nehren müssen. Der Anherr hätte an statt deß Drischels ein Grabeisen mahlen lassen weil er einen Weinberg / zwey Klaffter groß erkauft / und solchen so fleissig gebauet / daß er seinen Sohn hab können lassen in die Schul gehen. Nun habe ihm das blinde Glück das Wappen wider visiret / und eine Schreibfedern darein[281] malen lassen / welche billich in einem schwartzen Feld / wann es der Heroldskunst nicht zuwider stehen solte / weil solche federliche nicht Vätterliche Hoheit von dem fetten Rebenfeld herkommen. Was unterstehet sich aber dieser Gänßkeil? Er will / sagte er ferner / über alle Adeliche Helmzier / oder ja denselben gleich fliegen. Nichts Ritterliches ist in aller dieser anverwandten Geschlecht-Register zu finden / als daß etwan ein Vetter eines Rittermans Pferd beschlagen / und sein Bruder hat es gesattelt. Solcher Gestalt sind sie dem Adel zugethan / unnd könte man ihre Bildniß auf einer gemalten Bauren-Kirchwey finden / aber in keinem Turnier / als mit dem Ebreischen / Spieß / in keinem Krieg / als mit den Gläsern / in keiner Belägerin / als in übersteigung einer Pasteten / an statt der Pasteyen / etc.

9. Hierüber waren die Richter nicht wenig bestürtzet. Eines theils konten sie dem Ambt / welches der ältste Sohn / noch bey seines Vattern Lebszeiten angetretten / die Adeliche Ehre nicht absprechen / weil sie ihnen / und ihren Nachkommen selbsten zu kurtz thun würden: Anders theils war der Unadel so klärlich erwiesen / daß die Theilung der Güter statt haben muste / und eine so grobe Unbillichkeit / nicht ohne Beschimpffung der Gerechtigkeit / zu erkennen. Drittens / war das Gesetz Landkündig / und unwandelbar / daß die ältern Brüder zu Erhaltung Adelicher Geschlecht und Anherrlicher Güter den jüngern mehr nicht / als eine Außsteure zu geben schuldig.

10. Solte man nun die Güter gleich theilen / so müste der Jüngste Theil haben an den erkaufften und wieder verkaufflichen Ambt / weil es ein Stůck deß Vermögens / und solcher Gestalt wird das Mittel / welches sie geadelt für unedel geachtet / weil es zu theilen / wie ein anderes Vermögens / und solcher Adel ist gleich den ächtigen Kindern / welche unehelich geboren / durch nachfolgende Ehe aber für rechte Erben bestättiget und gehalten werden. Der Gelehrten Adel ist wie Jacob / d' deß erstgebornen jägerischen Esaus Recht unterdrucken will.

11. In diesem Streit wollen wir nun nicht Richter seyn / noch jemand ab oder beylegen / sondern den Außspruch in[282] ersterzehlten zween Brüders Sachen vermelden. Nemlich es würde gesprochen / daß der Aelteste für einen Edelmann erkant / und sein Königliches Ambt welches er bey seines Vattern Zeiten angetretten / allein haben und behalten; hingegen aber andere Güter / so viel derselben ligend und fahrend weren / mit seinem Jüngern Bruder gleich zu theilen schuldig und gehalten seyn solte. Mit Vergleichung der Schäden. Also haben beede gewonnen / und beede verlohren / weil der jüngere für keinen Edelmann erkennet worden / und doch seinen Antheil erhalten.

12. Daß ein Unterschied nicht allein unter den alten und neuen / sondern auch unter der Gelehrten Adel / ist auß denen Scribenten / welche von der Herolds Kunst gehandelt / wie auch auß den Turnierbüchern zu ersehen. Der Unterscheid ist vor Alters in den Wappen bemercket worden / wie wir hiervon in unseren Gesprächspielen an unterschiedlichen Orten außgeführt. Heut zu Tage ist diese adeliche Wissenschaft unter der Banck / und gehet es nach Petracha Urtheil / daß wie an den Müntzen die Wappen Bilder und Schrifften an Zier zu / und an der Güte / Schrot und Korn abnehme: also gehe es auch mit den Ehrsüchtigen Leuten / etc.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CCLXXIX279-CCLXXXIII283.
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