(XCVII.)
Der bekehrte Verschwender.

[347] Wie in der Menschen Gedancken Schickungen GOttes sind / (als daß einer den Gebrauch deß Magnets / das Pulver die Druckerey / etc. erfunden) also ist auch solches in Worten und Wercken zuverspüren; eines theils wann sie sich den Geist Gottes regieren lassen; anders Theils wann sie demselben widerstreben. Es ist Gott leicht auß einem Gefäß deß Zorns / ein Gefäß der Gnaden zu machen / wann nur noch etwas gutes an den Menschen gefunden wird / daß er nicht gantz verblendet in dem Weltwesen / mit dem Hertzog von Biron wünschet / daß Gott seiner vergessen solte / wie deß Essex / der in den grösten Ehren / durch deß Henckers Hand hingerichtet worden.

2. Ein so wollüstiger Mensch war Wolffgang N. zu Zeiten Maximilianus deß ersten dieses Namens / Römischen Käysers. Sein Vatter war Reichspfennigmeister / der genug Thaler / und grossem Reichthum seinem Sohne / benebens seinem Dienste hinterlassen: Was mit langer Hand und grosser Mühe ersparet worden / das verzehrte Wolffgang ohne grosse Bemühung / mit leichtfertiger Gesellschafft. Das Spielen / Gastung halten / und Frauenzimmer sind solche Abgründe / von welchen man mit Fug sagen kan / daß einer dem andern rufft.

3. Es begabe sich aber daß der Käyser eine grosse Summa Gelds einsamlen liesse / welche alle Wolffgang in- und besagter massen / auß den Händen gekommen. Deßwegen dann die andern Beambten / dieser Prasser bey Keyserl. Mayestät / als einen ungerechten Haußhalter angegeben / daß er ihm seine Güter umbgebracht / und den Käyser beweget / daß er Rechnung geheischt von seinem Haußhalten.

4. Wolffgang bittet eine Zeit nach der andern zu Fertigung seiner Rechnung / welche er zwar erhalten / aber nicht auffkommen können. Er wolte mit der Flucht zahlen / wuste aber daß grosse Herren lange Hände / grosse Augen und Ohren / welche alles sehen und hören. Daß er den Todt verdienet[348] sagte ihme sein Gewissen / daß ihme aber der fromme Käyser Barmhertzigkeit erzeigen würde / versprache ihm seine Hoffnung. Im Ende muste es gewagt sein.

5. Die Zeit in welcher er Rechnung solte einreichen / die wargedoppelt vorbey / der Käyser lässet ihn fordern und fragt / wo er mit so viel Gelts hingekommen? Er thut S. Majest. einen underthänigen Fußfall / und bittet / daß er seine Rechnung bey dem Thron Käyserlicher Barmhertzigkeit ablegen möge / und zwar Mündlich. Einnahm und Außgab / sagte er auff befragen / ist gleich: Was ich habe empfangen / das habe ich wider außgegeben in dreyen Posten / nemlich: in dem Spiel / in Gastereyen und Frauenzimmer Kurtzweil. Wann sich Ew. Majest. nicht erbarmet / so muß ich es mit dem Leben bezahlen. Weil aber Käyserl. Majest. auff Erden ein Ebenbild Gottes in dem Himmel / verhoffe ich Gnade zu erlangen / die Gott allen Menschen so ihn darumb anruffen / ertheilet / etc.

6. Der Käyser sahe diesen Jüngling an / und bereute / daß er ihme so viel anvertraut / betrachtet benebens dieses reuenden Verschwenders Buß und Todtes Angst / wolte aber doch ein solches Verbrechen / wegen deß Ergerniß ungestrafft nit lassen hingehen / sagte deßwegen daß er solte wehlen / den Todt oder ein Ruder-Stelle und Leibeigenschafft auff der Galleren.

7. Wolffgang bedachte sich nicht lang / und erwehlte die Galleren / von welcher Fessel er ehe / als von den Banden deß Todtes / loß zukommen verhoffte. So bald befihlet der Käyser man solte ihn gefänglich annehmen / und das Haupt wie einem Rudergesellen bescheren. Darzu nun Wolffang willig / weil er nur die Haare und nit das Haupt verlieren solte.

8. Der Käyser wolte nun bey dieser Begebenheit einen Lust haben / und diesen gefressigen Wolff mit Furchten abstraffen / befahle deßwegen dem Barbierer / er solte ihme eine Platten / wie einem Mönchen scheren / welches er auch gethan. Wolffgang gedachte / daß er sein gutes empfangen in vorigem[349] Leben / und nun wider böses mit Angst und Zittern zu erwarten haben wůrde.

9. In dem man nun diesen Wolff zu butzet / und zu einem frommen Schaffe machen will / fragt ihn der Käyser / ob er nicht lieber ein Mönch als ein Ruderknecht seyn möchte; Wolffgang antwortete: daß dieses so viel als wann man einen Krancken fragte: Ob er gesund sein wolle:

10. Der Käyser versetzte / daß er wolle seine Dienstbarkeit in Freyheit wandlen; jedoch daß er hinführo Gott deß Herrn leibeigener Knecht zu verbleiben geloben solte. Busse thun / wegen begangener Sůnde / und ein neues Leben anfangen. Wolffgang verspricht alles bester Form / und bedancket sich der hohen Käyserl. Gnaden / welcher er sich nicht würdig machen können / alsdurch das liebe Gebet / für Käyserl. Mayest. langes Leben / und Wolexgehen / Gott anzuflehen.

11. Wol sagt der Käyser / bringt ihme eine Benedictiner Kutten / und als er solche angezogen / verehrte er ihm eine Abbtey / welche wenig Tage zuvor / durch deß Abbts Todsfall / erledigt worden. Hälst du aber nicht besser Hauß in dem Kloster / als an meinem Hof / sagte der Käyser darzu / so wirst du die Mönch und das Kloster versauffen / und wir wollen dich an den höchsten Galgen hangen lassen.

12. Ob sich alle umstehende hierüber verwundert / ist unschwer zu erachten. Wolffgang aber hatte sein Leben geändert / und auß einem bösen Hoffmann ein Frommer Abbt worden. Also ist es noch Gott leicht auß einem Zöllner einen Apostel / auß einem Saul einen Paul / auß einem Schecher einen seligen Christen zu machen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CCCXLVII347-CCCL350.
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