(CLXXIX.)
Der Cornelische Befehl.

[297] Die Weiber werden füglich mit schönen Gemählen verglichen / wann sie unter die Leute kommen / so sind sie vielen Anstössen / dem feuchten Lufft / und andrem Ungemach unterworffen / deßwegen man zu sagen pfleget / der Schneck und das Weib sollen das Hauß nit verlassen. Dieses ist in Italien gebräuchlich / daß man kein ehrliches Weib wird leichtlich über Land raisen sehen. In Niderland aber ist es nichts neues / daß die Weiber gantz allein von einer Stadt zu der andern raisen / ihre Gefreunde besuchen / wie von dergleichen folgende Erzehlung handlen wird.

1. Von Utrecht raiste eine junge Wittib nach Amsterdamm / in willens ihre Schwester / die allda wohnhaft heimzusuchen / wie dann in Niederland man gar für geringes Geld von einer Stadt zu der andern wandern kan / es seye zu Wasser / oder zu Lande. Diese Wittib verspätete sich / daß sie nicht mehr zu Amderstamm einkommen konte / und wolte doch in den offentlichen Gasthof auch nit einkehren / keinen bösen Verdacht zu beursachen / wol wissend / daß sie für keusch zu halten / welche niemals übel von ihr reden machen.

2. Dieses Fürhabens gehet sie zu der nächsten Windmühl / bey welcher der Müller seine Wohnung hatte / und bate die Müllerin um ein Nachtläger / oder vielmehr um einen Sessel oder Stul / die Nacht darinnen zuzubringen. Die Müllerin nimmet sie freundlichst auf / und bietet ihr alle Bequemlichkeit deß Hauses an / so gut sie solche in ihrer Armut vermogte. Der gute Wille war die beste Bewirtung / und ware dieses Weib wol zu frieden / daß sie gute Leute angetroffen / die sie behausen und herbergen wollen.

3. Indessen kommet der Müller Abends von der Arbeit / und erfreuet sich sehr über diese Frembdlinge; machte auch alsobalden einen Anschlag in seinem Sinn / er wolte diesen Gast / welche nichts / als das Obdach suchten / auf eine andre weise versehen. Der Schalck / der Müller / sage ich / befahle seinem Weib / alles das beste hervor zu bringen und die Mahlzeit[298] nach Vermögen ihrer kleinen Kuchen anzuordnen / welches das Weib auch willigst zu Wercke richtete.

4. Nach geendeten Abendessen / sagt der Müller / das Weib soll schlaffen gehen / weil sie morgens frühe aufstehen müsse / er wolle auch noch etliches befehlen und bald folgen. Die alte Mutter war kaum hinweg / da machte sich dieser Müller zu dem Weib / und wil sie beschwetzen zu seinem sündlichen Willen. Nach vielen Wortwechseln / konte sie sich dieses unverschämten Gesellen nit erwehren / und bedencket sich auf eine List / welche auch / wie folgen wird / wol außgeschlagen.

5. Sie sagte / daß der Ort zu den Handel nit bequem seye / sie wolte aber hinauß gehen / auf die Stieg seiner Windmühle / und da solte er ihrer warten / und alsdann eine Prob thun / seiner vielmögenden Wort. So bald der Müller aus dem Hause / wecket sie die Müllerin / und saget ihr / was ihr Mann an sie gesonnen / und daß sie ein ehrliches Weib / welches lieber sterben / als einen so wissentlichen Ehebruch begehen wolte.

6. Kurtz zu sagen / kleidet sie der Müllerin ihren Rock / ihr Oberröcklein an / und bittet sie die Mütze / die ihr gebühre / einzunehmen. Die Müllerin liesse sich darzu leichtlich bereden / und fande ihren Mann alldar / der sich sehr bemühete / seine Schuldigkeit besten Vermögens / abzulegen / vermeinet / daß er seinen Gast bewirtete / da er doch seine Fraue nur zu versehen hatte.

7. Nachdeme er nun das Werck vollendet / bittet er nur einen geringen Anstand / mit versprechen / in einer viertel Stunde wieder zu kommen / und den Außstand zu bezahlen. Bevor aber diese Zeit vergehet / befindet er sich so abgemattet / daß er sein Unvermögen bekennet / und seinem Knecht befihlet / zu Cornelisiren / oder / wie man zu reden pfleget / Hörner aufzusetzen / und verspricht ihm noch etliche Gulden / damit er nur nicht in Schanden bestehen möchte.

8. Die Müllerin vermeinte / daß es der Mann / schiede also unwissend deß waren Verlaufs von dannen / danckte der Witfrauen für ihre Kleider / und legte sich wieder schlaffen. Der Mann gehet auch zu Bette / und legte sich seinen Weibe unvermerckter weise / wie sie sich angestellet / an ihre Seiten.[299]

9. Zu Morgens stehet der Müller frühe auf / lässet das Feuer anschüren / Brandwein holen / und lachen diese viere heimlich in ihren Hertzen. Die Wittib nimmet Urlaub und bedancket sich der Herberg / und guten Bewirtung; damit der Müller aber wissen möchte / daß sie ein ehrliches Weib / sagte sie den guten Betrug / welchen sie / zu Rettung ihrer Ehre / wolmeinend gebrauchen müssen.

10. Die Müllerin wurffe ihrem Manne sein ehebrecherisches Vorhaben für / und lobte diese Fremde wegen ihrer Tugend. Der Müller sahe seinen Helffer an / und gereuet ihn der That / aber viel zu spat / konte auch niemand / als ihme selbst / der solchen Cornelischen Befehl ergehen lassen / zumessen / doch muste er still schweigen und zu frieden seyn.

11. Diese Geschichte ist hernach Landkündig worden / und hat man von ihm gesagt / daß er ihme selbsten so grosse Hörner aufgesetzet / als die Flügel von seiner Windmühle gewesen; ja ein Mahler hat ihn auf eine Zeit an die Thür gemahlet / mit Windmühl Flügeln auf dem Haubte / darüber dieser Müller sich sehr erzörnet / und doch niemand beschuldigen können.

12. Dieses heist eine Gruben graben / und selbsten darein fallen. Zum guten Zeug / gehöret ein guter Meister; Zu einer harten Nuß dienet ein stumpffer Zahn. Ein Soldat der nur einen Dienst versehen kan / soll sie nit auf zwo Schildwachten stellen lassen: unn wer sich wil bey zweyen Feuern zugleich wärmen / der verbrennet sich leicht. An einem Weib und einer Mühl / ist immer zu bessern / sagt das alte Sprichwort. Für Gott hat dieser Müller die Ehe mit seinem Weib / und sie gleichfalls die Ehe fast ohne Schuld gebrochen; Daß also sein Will mehr straffwůrdig / als ihr Werck.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 297-300.
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