(CIX.)
Der Magische Degen.

[36] Unser Wissen in natürlichen Sachen ist Stückwerck / das meiste das wir wissen / ist das wenigste / von dem / was wir wissen können. Viel lieget in seinen Urschen verborgen / und wird von den Menschen verleistet / viel ist ihme auch wegen deß besorglichen Mißbrauchs verborgen / und vermeinen wir / daß es übernatürlich zugehe / was doch seine offenbare oder verborgene natürliche Ursachen hat. Der Gott der Natur pfleget nit über die Natur zu würken / wann wir wollen; der böse Geist aber kan nicht übernatürliche Sachen außrichten.

2. Wir wollen dieser Meinung nach setzen / was Staricius von Käysers Maximilians Magischen Degen und Trunck der Großmütigkeit auffgemerket / dem verständigen Leser überlassend / was darvon zu halten. Der Glaub bestettiget offt solche Sachen / und ist dergleichen Gewehr auch in Holstein geschmiedet worden / mit welchem ein Edelmann / dem es in die Hand gekommen / viel Unheil angerichtet / weil er sich mehr darauff / als auff Gott verlassen / biß er endlich in der Gefahr / so er geliebt / umbgekommen.

3. Zu solchem Magischen Gewehr wird erfordert 1. das Electrum Magicum, ist eine Art vermischtes Metalles / wie das Horn zu Oldenburg / und wird in Conjunctione U und 109. Der Magische Degen bereitet / wie Paracelsus lehret in l. de constellat. spec. darzu kommet folgendes

109. Der Magische Degen

Diese Metall müssen wol gereiniget werden / unnd darauß schmiedet man die Waffen.

4. Das Feuer muß von dem Donner / der etwann in ein Eichenholtz geschlagen / angezůndet werden / wird Tubals-Feuer[36] bey den Chimisten / genennet. Vorbesagtes Electrum, Blasbälge / Zangen / Ambos / Hammer / etc. muß alles bey der Hand seyn / damit man die rechte Zeit nemlich diem & horam martis in exaltatione constituti triffet. Die lateinischen Verse / welche dar zu sollen gesprochen werden / gehören ad Magiam ceremonialem und können wol außgelassen werden. Auff den Degen oder Harnisch schmiedet man ein Martialisches Zeichen / einen Pfeil / oder einen Löwen / und zugleich noch ein Merckmal / welches dem der die Waffen gebrauchen soll / angenehm / und ihn der Tapfferkeit beharrlich erinnert.

5. Ein solches Schwert soll Käyser Rudolph höchstlöblichen Andenkens gehabt haben / und wil Eingangs bemeldter Scribent / daß Achilles dergleichen Waffen geführet / wie auch der Hörnern Seyfrid / daß ihnen ihre Feinde nichts anhaben können / wie jährlich hiervon die Meistersinger zu Wormbs noch singen / und von der Obrigkeit deßwegen beschenket werden / weil besagter Seyfrid die Würmer und Drachen / so sich daherum auffgehalten / getödtet und überwunden haben soll.

6. Etliche gebrauchen auch solche Schwerter / damit ihrer etliche gerichtet worden / lassen die Heffte machen von dem Rad / darauff ein armer Sünder gerädert / unn das Kreutz und Knopff von der Ketten daran einer ist erworgt / thun auch noch etwas von einer Jungfrauen darzu in das Hefft / und ein solches Schwert oder Degen soll vielen Widerstand thun / und eine Furcht einjagen können. Etliche tragen 3. Schlangen-Zungen in dem Degen-Knopff / und sollen dardurch alle andere Klingen / so sie mit ihren Klingen anrühren / zerspringen.

7. Wann solche Degen oder Waffen an solchen Orten gebrauchet würden / da man sich mörderischen Anfalls zu befürchten / solte es wol verantwortlich seyn: Es scheinet aber / daß die jenigen / so sich mehr auff dergleichen Künste / als auff Gott und ihre gerechte Sache / vertrauen / kein Hertz in dem Leibe haben / dann sie sonsten dieser Beyhülffe gantz nit vonnöthen / und gehöret hieher der Alten Teutschen Sprichwort: Man soll den Degen allezeit / wegen einer gefährlichen Zeit tragen; selben[37] aber nicht ohne wichtige Ursache außziehen / und ohne Ehre nicht wieder einstecken.

8. Fast dergleichen Urtheil könte man fällen von dem Maßlach der Türken / welches sie dreyerley haben / und das erste behertzt / das andre dollkühn / das dritte aber gantz rasend / und alle Todtesgefahr verachten machet. Wann sie Wurtzeln und Kräuter darzu graben / stellen sie sich gantz unsinnig / und soll radix filicis mit spiritu vini extrahirt, und mit succo mandragoræ vermischet / das vornehmste ingrediens seyn. Das Böhmische Kraut Leleck / soll gleiche Krafft haben. Vom Johannis Blut / Carduo Mariæ, der Eberwurtz und andern dergleichen erzehlen die Naturkündiger grosse Wunder / wie in theils Kräuter-Bůchern zu lesen.

9. Hoch besagter Käyser Maximilian soll auch nach beschriebenes Wasser für ein sonders Geheimnis gehalten haben / so das Wasser der Großmütigkeit genennet / und also zugerichtet wird. Man nimmet einen Brenn-Kolben / bestreicht selben mit Honig / biß zu und erst / und leget ihn in die Sonnen zu einem Omeis-Hauffen / daß sie also hienein lauffen / und ihre Eyer auch hinein tragen. Diese kleine Geisterlein sollen eine sondere grosse Krafft haben / und wann man auff einen solchen Omeins-Hauffen / mit einer Spießruthen schläget / wird ein saurer Geruch und Rauch darvon auffgehen.

10. Nachdeme nun die Omeisen in dem Kolben / muß man 4. oder 5. mahl eine Maaß wol rectificirten Brand-Weins darüber giessen / in der Sonnen oder gelinden Wärme 14. Tage stehen lassen / und das Mundloch vor allem wol verwahren / dann ziehet man es in dem Balneo oder Aschen gar lind oder trocken ab. Was zum ersten kommet / geust man hinweg / thut ein halbes Loth gepülvert Zimmetrinden darein / und verwahret es wol.

11. Man kan auch Eberwurtzöl darzu thun / und wann man es gebrauchen muß / so schmieret man die Hände und Rapier darmit / und trincket 10. oder 12. Tropffen darvon. Dieses benimmet den Gegnern die Krafft und Stärke / daß einer wider viel bestehen kan. Die Eberwurtz wird auch den Pferden gebrauchet /[38] und mit Eibisch vermischet in Wein gesotten / damit man den Ruckgrad deß Pferds Abends und Morgens bestreichen muß / und die Eberwurtz mit Odermenig und Saltz zerhacket unter das Feuer gemenget / jedesmals drey Messerspitzen / machet das Pferd starck und fett. Man muß aber das Pferd in einen sondern Stall stellen / sonsten nimmet es andern Rossen die Stärcke.

12. Zum Beschluß dieser Erzehlung wollen wir vermelden / was die alten Rattenfänger vorgeben / daß nemlich ein Pfeifflein / auß deß Ratten-Königs- Rück-Grade gemacht / die Ratten mache dem Klang nachlauffen / wann man sonderlich das Häutlein von dem Ratten-König gerben / und über ein kleines Trümelein spanne / und darauff schlage / dieses soll zu Hammeln seyn probieret worden / und weil man den Ratten-Banner nit hat bezahlen wollen / habe er die Kinder in einen Berg geführet / den man noch alldar weiset. Selbe Kinder sollen in Siebenbürgen seyn / und die Zahl der Jahre von der Kinder Außführung gezehlet werden. Alles lautet fast fabelartig. Wer leichtlich glaubt / wird leichtlich betrogen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 36-39.
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