(CXXIV.)
Die rühmliche Freygebigkeit.

[86] Gleich wie die Sterne unter sich unterschieden / dz je einer grösser als der andere / unn mehr Glantz hat; also ist auch eine Tugend viel herrlicher als die andere / und gibet einen hellen Schein von sich. Die Freygebigkeit und Mildigkeit ist eine Sonnenschöne Tugend (wie die Poeten reden) deren Glantz sich weit und breit erstrecket / daß einen solchen milden Geber Gott liebet / und sein Name bleibet ewiglich. Was ihr wollet / daß euch Gott thun sol / das thut auch ihr euerm Nächsten: Ihr wollet / Gott soll euch mit vielen reichen Wolthaten überschitten / der gleichen erwartet auch der Arme von dem Reichen / und die Barmhertzigen werden Barmhertzigkeit erlangen / nach dem Außspruch unsers Seeligmachers.

2. Diese Tugend wird sonderlich gerühmet von dem Geschlecht der Gyron in Hispanien / deren Haupt der Hertzog von Ossuna / und Don Pedro Gyron Königlicher Reichsverweser in Neapoli / hat sehr merckwürdige Proben dieser Königl. Tugenden gethan / daß man von ihme gesagt / er habe durchlöcherte Hande / welche nichts halten und behalten können / und als man ihn ermahnet / dz er doch wolte besser haußhalten / und die Beschenckungen einziehen / hat er geantwortet / daß er eben durch seine Mildigkeit die Ehre seines Hauses erhalte / und durch die Verschenckung reicher werde.

3. Sein Hofmeister führte ihm mehrmals zu Gemüte / daß mehr Außgeben als Einnehmen das Mittel seye / zu verarmen; Er aber sagte / daß man in solcher Armut Ehrenreich werde / welches mit allen Schätzen nicht zu vergleichen / und daß nicht das verborgene / sondern das außgespendte Geld solchen Nutzen bringe. Wann man ein Hauß bauen wil / muß man den tief gegrabenen Grund mit vielen kleinen Steinen außschůtten / und darauff das Gebäu aufführen: also muß man erstlich arm werden und dardurch seines Namens Angedencken erheben.

4. Ein armes Weib / welche durch ihres Mannes Verschwendung in grosse Dürftigkeit gefallen / bate diesen Hertzogen[87] von Ossuna / er solte ihr einen Sack mit Getreid verabfolgen lassen ihre unmündige Kinder zu ernehren. Der Hertzog sagte zu seinen Hofmeister / verschaffe diesem Weib unn den ihrigen Lebensmittel. Der Hofmeister gabe ihr ein Anweißzeitelein / dz sie einen Sack Korns von den Rentmeister empfahen solte. Als sie wider kommet / und der Hertzog sie ersiehet mit dem Zettel / nimmet er solchen von ihr / und schreibt ein 6. darauff / als 61. Säcke Korns solte man ihr lieffern / wie auch erfolgt.

5. Als nun dieses Hertzogs Vermögen geringert und die Einkunften geschwächet worden / wurde ihme von seinen Bedienten Einhalt gethan / dz er doch seine Freygebigkeit außstellen / seine Hofhaltung einziehen / und die viel unnötige Diener abschaffen solte. Wol / sagte d' Hertzog / macht mir eine Verzeichniß / derer / welcher ich entrahten kan. Der Hofmeister setzet zu Papier / alle die ihme zu wider waren. Der Hertzog lässet sie fordern und befragte sie: ob sie in seinen Diensten verbleiben wolten / sie sagten einstimmig ja wann sie nur solche Gnade erlangen könten. Hierauff wendet er sich zu seinem Hofmeister / sagend: Diese bedörffen meiner; der andern bedarff ich / darum laß sie alle bleiben.

6. Dieser Hertzog hielte ihme für eine Schande / wann er einem was hätte abschlagen sollen. Hat einer ein Gemähl / ein Pferd / Gewehr / Buch und dergleichen gelobt / so hat er ihm solches verehret / und sich bedanckt / wann er es angenommen: Sagend: Niemand / ja auch kein Dieb / könne so begierig seyn zu nehmen / als er zu geben: der gestalt / dz die Freygebigkeit bey ihm gar übermässig gewesen / welches bey wenigen gebräuchlich.

7. Er pflegte mehrmals verkleidet herum zu gehen / und zu erkundschaften / was man von seiner Regierung für Reden führte / unn wie die gemeinen Leute ihr Leben zubrächten. Bald verkappte er sich in Bettlerskleydern / bald wie ein Frembder bald wie ein Kaufmann / und also / daß er nicht erkantlich war. Er befande sich auff dem Platz / in den Wirtshäusern und Gahrkuchen / asse / trancke und machte mit allerhand Leuten Gesellschafft.

8. Auff eine Zeit setzte er sich mit einem seiner vertrautsten[88] Freunde in ein Trinckhauß / und zechte mit 3. gar schlechten Gesellen. Sie sprachen von grossen Abenteuren / und nach deme sie den Schnabel begossen hatten / kamen sie von dem Königlichen Statthalter zu reden. Einer sagte guts / der ander böses; doch sagten sie / daß alle seine Mängel ein güldnes Blätlein bedeckte / und daß es ein löblicher Herr / weil er viel verschenckte.

9. Der erste versetzte / daß er kein anders Geschenck von ihm wünschen wolte / als eine Schergenstelle.

Der ander sagte; so wolte ich nichts mehr / als ein neues Kleid / dessen ich wol bedürfftig bin. Der dritte sagte mit lachendem Munde; wann es wünschen gilt / so wil ich mir wol in mehrers wünschen / nemlich dieses / daß mir der Hertzog seine Tochter vermählen möchte. Hierüber schertzten sie / und bezahlte der unbekante Gast die Zeche mit Bitte / sie wolten folgenden Tages sich wiederum alldar einstellen / und mit einer bessern Mahlzeit vorlieb nehmen / welches sie willig versprachen.

10. Zu bestimter Mittagzeit schicket der Hertzog von seiner Leibwacht etliche hin / und liesse diese drey für sich führen / welche sich sehr befürchtet / daß sie auff die Ruderbanck (so damals mit dergleichen Gesellen besetzet wurden) gefesselt werden möchten / und fragte sie / was sie den Tag zuvor gewünschet? Nach vielen Entschuldigungen sagte der eine / daß er eine Schergenstelle gewünschet / wol sagte der Hertzog / die seye wir hiemit ertheilet. Der andre wurde alsobald mit einem neuen Kleide versehen. Dem dritten liesse er seine Tochter für führen / und fragte sie / ob sie wol lust hätte zu diesem Gesellen. Sie beantwortete diese Schertzfrage ohne Bedacht / mit Nein. Nun sihest du / sagte der Hertzog / daß du gewünschet eine Sache / die nicht in meinem Willen stehet. Wehle mir was anders / so soll es dir werden. Dieser dritte bate üm gnädige Verzeihung / und erlangte auff sein Begehren einen befreyten Platz / unter deß Hertzogs Leibregiment.

11. Zu Marsilien hat er auff einem Tantz mit einer schlechten Jungfrauen getantzet / welche ihm die blosse Hand und einen Kuß gebotten / deßwegen er ihr sehr kostbare Beschenckung[89] überreichen lassen / und nach seiner Ankunfft in Hispanien / ihr noch durch Wechsel eine grosse Summa Geldes übermachet / zu Bezeugung danckbarlicher Erkantniß / wegen der keuschen Gewogenheit / so er von ihr verspüret.

12. In Hispanien ist er für einen Verschwender außgeschrien / und bey Hofübel angesehen worden / deßwegen er sich doch wenig betrübt / und sich mehrmals vernehmen lassen, daß er die Jagten liebe / nit wegen deß Gefängs / sondern wegen deß Jagens und deß Lusts. Daß er ihm wünschte diese gantze Welt / damit er solche außtheilen möchte / wie Josua das gelobte Land den Kindern Israel außgetheilet / und sein Antheil solte seyn die Hoffnung eines guten Namens. Diese seltene aber sehr rühmliche Freygebigkeit hat keins Weges sollen verschwiegen bleiben / sondern in diesen Schauplatz zu einer Verwunderung auffgefuhret werden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 86-90.
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