(CXLVII.)
Wunderliche Naturen.

[167] Ein jeder / sagt das Sprichwort / bleibt bey seiner Weis / was dich gelüst / ist deine Speiß. Wie wir Menschen in dem Angesicht in der Stimme / in den Geberden und Reden unterschieden sind / also ist auch unsre Liebe und Haß / unsere Zu- und Abneigung unterscheiden / und thut offt die Erziehung und Gewonheit so viel als die Natur / wie wir dann lesen / daß die Grafen von Stollberg einen Hirschen abgerichtet / daß er sich wie ein Pferd / reiten lassen. Als nun Käyser Carl 1548. auf den Reichstag zu Augspurg ein Roßlauffen angestellet / hat der Hirsch alle Rosse / Spanische / Türckische und Ungerische überloffen / daß solches mit Lust und Verwunderung gesehen worden.

2. Wie man die natürliche Neigungen überwinden kan / und sich zwingen / eine Artzney zu gebrauchen / welche nicht angenehm ist; also finden sich auch heimliche Feindschafften /[167] die sich nicht wollen beherrschen lassen / und deren Ursachen in deren Natur verborgen / und uns unwissend sind. Viel können keine Katzen leiden / ob sie gleich dieselben noch sehen noch hören / welches keiner andern Ursach beyzumessen / als daß der Lufft durch der Katzen Odem angetufft / einem solchen Menschen zu wider / daß er deßwegen schwitzet / erblasset / und nicht bleiben kan / wo ein Katz eingespert ist. Matthiol. über das 6. Buch Dioscorid c. 25.

3. Ein Edelmann hatte nicht leiden können / daß ihn ein altes Weib angeschauet / und als er auf eine Zeit bey einen Gastmahl gegen eine Alte zu sitzen kommen / daß er ihren Anblick nit entfliehen mögen / hat er sich darob entsetzet / daß er alsobald tod zur Erden gesuncken. Mart. Weinrich von den Mißgeburten.

4. Die Herren von Candales in Guyenne / und alte von selben Geschlecht können keine Aepffel riechen: deßgleichen hat auch Iean de la Chesnaye die Aepffel so gehasset / daß ihm alsobald von dem Geruch die Nase geschweist.

5. Ein Bauer in der Normandia hat nie noch Brod noch Fleisch / noch Käß / noch Fische / sondern die gantze Zeit seines Lebens nur Eyer gessen. Brugerin in dem 1. Buch von den Speisen / c. 24. Hingegen schreibet Marcellus Donatus l. 4. Observ. Medicinal. daß er eines Italianischen Grafen Diener gekant / der hat kein Ey sehen noch rüchen können / und alsobalden ihm solche zu Gesicht gekommen / den Magen ausleeren müssen.

6. Scaliger (exercit. 153. contra Cardan.) meldet / daß etliche keinen Wein / etliche keine Rosen rüchen können / und daß ein gantzes Geschlecht zu Meyland die Cassie (eine Indianische Frucht) nicht rüchen mögen / sondern sind alsobald darvon gestorben.

7. Marande (l. 3. von den Kräutern c. 3.) schreibt / sein Vatter habe nie keinen Bissen von allem Geflügel versuchen können / wie auch keine gesaltzene Speise / so wenig sie auch gesaltzen seyn mögen.

8. Viel können keinen Aal sehen noch versuchen / unnd[168] wann sie an einem Ort / wo solche Fische verborgen / können sie vor Aengsten nit bleiben Weinrich und Pareus.

9. Ein Graf von Arnstadt konte kein Baumöl sehen / noch rüchen / und fiele alsobald in eine Ohnmacht / bliebe auch so lang unempfindlich ligen / biß man das Oel ferne getragen hatte. Horst. und Lemnius.

10. In der Schweitz gibt es viel Bauersleute / die allein von der Milch leben ohne Brod / und werden mit Gesundheit alt und grau. Zwinger.

11. Bernard Bony von dem edlen Geschlecht der Raguosen / konte nichts süsses zu sich nehmen / kostete niemals einige Baumenfrucht / weil sie süßlicht / sondern Mandel / Nüsse und Essig / so bald man ihm eine Artzney verordnet / die süß war / fiele er in eine Ohnmacht / und mochte sie nicht behalten Amatus Portugais.

12. Ein Soldat der seine Tapfferkeit vielmals erwiesen hatte / konte keine Weinrauten rüchen / und flohe solches Kraut von ferne Marcel. Donat. l. 6. c. 4. Wolte GOtt / daß uns die Sünde so zu wider / daß wir selbe fliehen und meiden müsten!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 167-169.
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