(CLX.)
Die Heldenthaten.

[227] Die erst vorgeschriebene Rähtsel betrifft das Eisen / welches ist das stärckste Metall unter allen / deßwegen es auch durch das Schwert die Städte beschützet / die Felder ernehret / ungebraucht verrostet / und durch das Wasser verderbet / hingegen aber durch das Leder / in den Degenscheiden / erhalten wird. Weil die Furcht so zu unsrer Erhaltung gehöret stärcker ist als die Hoffnung / so nur zu dem Wolstand vonnöthen / und der Bösen mehr / als der Frommen / nenne ich das Eisen / der Furchte Werckzeug billig stärcker / als das Gold / so mit diesem Metall üm den Vorzug streiten könte. Das Eisen erhält sich selbsten von tapferer Hand geführet; das Gold aber erkauft feile und Knechtische Gemüter / macht wenig Geschrey und würcket gar kurtze Zeit. Hiervon ist in unsren Gesprächspielen zu lesen / und wollen nun von etlichen sagen / die das Eisen mit sondrer Tapferkeit geführet haben.

2 Machiavellus der listige Florentiner bejahet / daß die Heyden mehr Tapfferkeit in ihrem Aberglauben / als die Christen in dem rechten Glauben erwiesen / unnd erzehlet wie unverzagt Horatius, Curiacius, Curtius, unnd andre dem Tod unter Augen gegangen / da hingegen die[227] Christen GOttes Beystand nit versichert / sich in den Schlachten vielmals feig erwiesen. Dieser Meinung werden wenig beypflichten / in Betrachtung eine gerechte Sache / ein gutes Gewissen und bußfertige Vorbereitung zum Tod einem Christen weit mehr Muth machen / als kein Heyd haben können / welche von den zukünfftigen Leben nichts oder Fabelwerck gewust. Ausser erstbesagten rechtmässigen Ursachen kan man wol ein Verzweifflung und Verachtung der Gefahr sehen lassen / solche aber ist keine Tapferkeit zu nennen / welche mit Verstand muß rühmlich gemachet werden; massen auch der geringste Soldat so viel Hertz in dem Leibe haben kan / als ein Obrister

3. Es fragte sich aber / ob für einen Heldenmut zu halten / daß ein Feldherr sich mit in die Gefahr begiebet / oder ob er nur mit Raht und befehlen seinem Ambt genug thun soll? Die mit ja antworten / geben folgende Ursach: I. Weil der Theil an der Gefahr haben soll / der den grösten Antheil bey dem Glück der Waffen. II. Das keine Beredsamkeit deß Feldherrn nachdrucklicher / als sein Exempel / wie ein gutes Leben eines Geistlichen die beste Predig ist. III. Wann der Feldherr sich fürchtet / so lauffen die Soldaten darvon / und wird er solche Feldflüchtige nit straffen können. IV. Daß ein Haußvatter der mit Hand anlegt / gute Arbeiter machet / wie ein Feldherr der mit forne an der Spitzen stehet / gute Soldaten und Nachfolger / wie solches erweisen die Exempel der Marcellen / Camillen / Scorpionen / Alexanders / Cesars / und jüngst verstorbnen Königs in Schweden / Gustav Adolph / hochlöblichsten Angedenckens.

4. Die solche Frag mit Nein abfertigen wollen: I. Das Befehlen und Gehorsamen unterschiedene Sachen / unterschiedenen Personen zustehe; als jenes dem Befehlhaber / unter welchen der Feldherr der höchste / und dieses den Soldaten. II. Daß zu dem Befehl grosser Verstand / zu dem Gehorsame blinde Nachfolge vonnöthen / und daß die Klugheit zu befehlen müsse entfernet seyn von der ergrimmten Dollkünheit zu morden und schlachten. III. Das Haubt / der Feldherr / soll seine Glieder / seine Soldaten arbeiten lassen / wie der Artzt[228] den Apothecker / der Schiffherr die Schiffleute / der Richter die Schergen / etc. IV. Weil deß Haubts Verlust grösser als keines Gliedes / gleich wie der Gipfel an dem Cypreß / wann er einsmals abgebrochen wird / den gantzen Stock absterben machet. V. Daß die Gegenwart deß Feldherrns auch ohne Gefahr in den nechsten Höhen seyn könne.

5. Diese und andre Fragen / können in dergleichen keinen gewissen Ausschlag haben / wie die Aufgaben / auß der Naturlehre / und hangen an den Umständen / die sich darbey begeben; Also muß man auch hier sehen / ob die Gefahr deß Feldherrn in einer Haubtschlacht oder in einem Scharmützel betrachtet wird? Ist es ein Haubttreffen / so muß er befehlen und seinen Befehl zugleich mit außrichten helffen / wann sonderlich der Feind schwächer als Er. In allen andern Fällen ist eine Vermessenheit und unverantwortlich / daß ein Feldherr seine Person / an welcher fast alles gelegen / in Gefahr setzet / gleich den Zahnbrechern / welche zu schlechten und geringen Kranckheiten / die aller gefährlichsten Mittel gebrauchen / so nur zu verzweiffelten Schäden gehören.

6. Wann wir nun unsren Krieg gegen der alten Streiten halten / so scheinet es ein Kinderspiel gegen unsrem Helden Handwerck. Hiervon redet der berühmte Schottelius in seiner Einleitung am 18. Blat 108.


Was soll uns jetzt die Schlacht / mit Pfeilen / Pfriemen / Stecken /

und der bepralte Sturm / mit Thürnern unnd mit Böcken?

beschreib jetzt unsren Streit und eine grosse Schlacht /

der Donner und der Blitz wird mit zu Feld gebracht.


Der gegenwärtige Tod / so abscheulich er auch zu Gesicht kommen möchte / kan doch die Teutsche Tapferkeit nicht zurucke halten / und sind viel tausend / ja viel hundert tausent in dem dreissigjährigen Kriege mit tapferem Entschluß / als[229] Soldaten auf ihrem Ehrenbette gestorben / unter welchen der vornemsten Helden Grabschrifften zu lesen in den Pegnetzischen Schäfereyen / und in dem Anhang der Friedensrede Sigismundi Betulij.

7. Zua und Arias Gebrüdere von Cocillo und ein Fischer Namens Antoni Grimaldi / sind auf dem Weg nach Ost-Indien von einem grossen Seerauberischen Schiffe angegriffen worden / von welchen ihrer acht wol gewaffnet hinein gesprungen / von den zweyen Brüdern und ihrem Diener aber nieder gemachet und zurucke getrieben worden / massen beende Schiffe aneinander geklammert. Die Portugeser riessen sich von der Fregate loß / und als die Seerauber verstanden / daß in dem gantzen Schfsfe nur vier wehrhaffte Männer / und etliches Weibervolck / setzen sie nochmals nach / und griffen das kleine Schiff wieder an / mit 16. von den ihrigen / und haben sich diese vier aller erwehret / theils in das Meer geworffen / theils erschossen / theils durchrennet / und haben also zum andern mahl den Sieg erhalten; wiewol sie auch verwundet worden / aber nit tödlich. Obsorius de rebus Purtugal.

8. Peter Aubusson ein Frantzos hat in der Belegerung Rhodes den aller gefährlichsten Platz zu verwahren unternommen / und als die Türcken zum dritten mahl gestürmet / hat er mit seinen zweyen Vättern und noch sechs Soldaten / die eingeschossene Mauren vertheidiget / ob er wol fünff Wunden empfangen / und seine Waffen durchboret worden / so haben ihm doch die Türcken nichts anhaben können / und die Belägerung aufheben müssen.

9. Es schreibt Stumpff von einem Schweitzer / der für tod gehalten worden in der Schlacht für Basel / und gehöret wie spöttisch ein Mönich Burkard auf der Wahlstade wider die Schweitzer geredet / sich auf die Knie gerichtet / einen Stein ergriffen / und den Mönichen darmit geworffen / daß er von dem Pferd gesuncken.

10. Als Marckgraf Albrecht von Brandenburg wider die Stadt Nürnberg Krieg geführet / hat er Gräfenberg /[230] eines von ihren Städtlein belägert / und an vier Orten zugleich bestiegen. Wo nun der Graben am tieffsten und die Mauren am höchsten gewesen / ist der Marckgraf der zweyte auf der Leiter / und also gleich andern Soldaten der ersten einer in der Stadt gewesen. Ob man ihm nun in der Stadt sehr zugesetzet / hat er sich doch tapffer gewehret / und ist von den seinen bald entsetzet worden. Die Stadt hat er geplündert und mit Feuer anstecken / deß Weibervolcks aber verschonen lassen.

11. Zu unsrer Vätter Zeit hat der König von Fez sich in das Feld begeben / Tingt eine Stadt von den Portugesen besetzet zu belägern / der Stadthalter darinnen hat einen Ausfall gethan / wurde aber mit grossem Verlust wieder hinein getrieben / und trachteten die Mohren mit einzukommen / welches auch gewiß geschehen were / wann der Stadthalter nicht mit frischem Volck sie zuruck gejaget hätte: Unter dem halbzugemachten Thor bliebe Lopes Martin meiner von den gemeinen Soldaten mit einem Schlachtschwert stehen / unnd als sie schrien / er solte das Thor gar zuschliessen / wolte er nit / sondern sagte / die Mohren möchten sonsten vermeinen / daß sich die Portugesen für ihnen fürchteten / verfochte auch das halbe Thor so ritterlich / daß viel von den seinigen hinein gekommen / viel Mohren aber durch seine Hand gefallen. Durch diese That ist er von dem König zu einem Obristen gemachet worden.

12. Wer sein Leben in leichtfertiger Gefahr gering schätzet / der giebt zu verstehen / daß es nicht viel müsse wehrt seyn. In rühmlicher Rettung seines Vatterlandes ist eine Tugend sich tapfer halten / unnd auch darfür zu sterben; welches wegen einer unzüchtigen Dirne oft leichtfertiger Weise in die Schantz geschlagen / unnd eingebüsset wird. In Franckenland wurde von einem Edelmann ein Frantzoß der ein Dorf anstecken wollen / gefangen / und als er ihm mit dem Galgen bedrauet / sagte er / daß er sich darfür nicht fürchte / er solte ihn hencken lassen / weil er ein Soldat / der mit den Gedancken in den Krieg gezogen /[231] daß er wol könne gehencket werden. Er hat ihn aber / grössers Unheil zu vermeiden / wider zu seinem Regiment geschicket.


Rähtsel.


Ich / der Schlüssel aller Orten /

zu den fest verschlossnen Pforten.

Ich bin hart und mache weich /

Gott durch einen Buchstab' gleich.

Ich verkauffe manche Brüllen /

kan der Richter Hände füllen /

daß die Frau Gerechtigkeit

sich neigt auf die lincke Seit' /

und ihr Straff-Schwert kan nicht schneiden /

wann es mich nicht wird vermeiden.

Ja mein fünfftes Element

machet krumm die graten Händ.


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 227-232.
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