(CXCVII.)

Der blinde Zorn.

[706] Es waren etliche Diebe in eines reichen Mannes Hauß gestiegen unter welchen einer sich mit dem Diebstal beladen / und von den andren abdrehen wollen / hat aber mit grossen Schmertzen erfahren / daß üm das gantze Hauß Gruben mit Feuer angescheret / in welche er gefallen und jämmerlich geschryen. Die andren von seinen Gesellen sahen diesen in den Flammen liegen / und konten leichtlich abnehmen / daß es ihnen gleich also gehen werde: liessen aber doch nicht nach Kisten und Kasten zu raumen / und sich mit unrechtem Gut / daß sie nicht darvon bringen mochten / zu bereichern.

2. Wer wolte nicht sagen / daß diese Diebe Narren und blinde Thoren / die ihre Gefahr lieben und darinnen umkommen. Also machen es die verruchten Sünder / welche in den Werken der Ungerechtigkeit beharren / und doch sehen und wissen / daß wegen solcher ihre Gesellen in dem ewigen Höllen Feuer brennen und nicht mehr daraus können errettet werden. Noch wollen sie durch andrer Nachtheil nicht klug werden / und setzen ihre Unthaten wieder ihr Gewissen fort.

3. Was der Ehebruch für einen erschröcklichen Ausbruch zu nehmen pfleget / ist durch viel hundert Geschichte bekannt: solche verbottne Frucht wůrket den Tod / und so wenig ein Wucherer sich offt in seiner Zinß Rechnung betrůgen lässet: so wenig wird ein Ehemann zu unterschiedlichen mahlen betrogen. Uber solche Untreue zörnet er mit Recht / und haben ihn auch die Gesätze zugelassen / daß er sich selbsten /auff handhaffter That an solchen Ehren-Dieben gleicher weiß als in andren einbrechenden Raubern / rächen darff. Solches were auch dem Haubtmann zu Nocera / in Welschland nicht zu versprechen[707] gewesen / wann er nicht gar zu tyrannisch verfahren und seine Rache auch gegen die unschuldigen Befreunden sehen lassen / wie wir ümständig erzehlen wollen.

4. Zu Zeiten Braccio Montone und Sforza Attendulo lebten drey Brüder / Nicola / Cesar und Conrad von dem Geschlecht Trociner welche Foligno / Nocera / und Trevio unter sich hatten. Stätte in dem Hertzogthumb Spoletto / die heute zu Tage dem Pabst angehören. Diese Herrn regierten sehr wol / und hielten ihre Unterthanen mit guten Worten und harten Straffen zu schuldiger Gebühr / daß sie unter ihrem Schutz und Schirmen bey ihrem Weinstock und Feigenbaum sicher wohnten.

5. Nicola der älteste kame vielmals nach Nocera /und verliebte sich in seines Schloß Haubtmanns Fraue / die nach kurtzem Wiederstand die Festung übergeben / und so heimlich mit ihrem Herrn zugehalten /daß der Mann geraume Zeit keinen Argwahn darvon haben mögen: biß ihnen endlich die Sünde gemein und alltäglich / daß er ungleiche Gedanken gefasset /und gemutmasset / wie es unter diesen zweyen hergehen möchte. Das Weib sahe ihm an den Augen an /was er in dem Sinn hatte / und warnte Nicola / daß er Ursachen suchen solte sich nach Foligno zu erheben /welches er also bald / mit Vorwand deß Hertzogen von Camarino Ankunfft / gethan.

6. Der Schloß Haubtmann liesse sich das geringe nicht vermerken / und machte sich mit seinem Weibe lustig / daß sie vermeinte / es weren ihrem Mann andre Mucken in dem Kopf gewesen / und nicht das /was sie ihr sträfliches Gewissen berichtet; schreibet also an ihren Herrn / er solte nun sich er wiederkommen / ihr Mann hab der Hörner vergessen. Nicola saumet sich nicht / und als der Schloß Haubmann sich anstellte / als ob er Runde thun wolle / fügte sich der Herr zu seiner Liebsten / und der Haubtmann kehrte zu rucke und sahe durch das Schlüssel Loch / was er lieber nicht sehen wollen: gehet doch darvon und besinnet sich auf eine besondre Weise zu rächen.[708]

7. Er meldet folgenden Tage seinem Herrn an / wie sich ein grosses Schwein in dem Wald bey Nocera hielte / und daß er / auf gnädigen Befehl / solches bestättigen lassen wolte. Nicola bewilliget den Vorschlag und bittet seine Brüder / und den Hertzogen von Camarino auf die Hatze / welche auch / ausser Conrad / der auf eine Hochzeit verraiset / erschienen. Der Schloß Haubtmann hat inzwischen seinen Soldaten eröffnet welcher massen Nicola sein Ehebett beflecket / und gebetten / sie solten ihn wieder diesen Ehebrecher beystehen / er wolte solches mit würklichen Dank erkennen / etc. Die Soldaten waren darzu willig / und versprachen ihme zu gehorsamen.

8. Als nun der bestimte Tag zu der Schweinhatze herzunahte / erschienen die Eingeladnen / und wurde der Hertzog von Camarino bey Nicola auf dem Schloß / Cesar aber in der Statt zu herbergen angewiesen. Um Mitternacht siehet der Schloßhaubtmann mit seinen Mordbuben auf / tritt in Nicola Kammer /hält ihn erstlich sein Verbrechen für / und schneidet ihm heraus was ihn zu einem Manne machte / sagend diese Lantze sol keinen andern mehr aus den Sattel heben / etc.

9. Hiermit aber ist er nicht vergnüget / sondern er hat ihme das Hertze aus der Brust / als die erste Ursache aller bösen Lüste / geschnitten / den gantzen Leib zerstucket und ihm das Haubt abgehauen / den Gast auch in ein tieffes Gefängnis geworffen. Nach diesem hat er Cesar in Nicola Namen erfordern lassen / den zermetzelten Leichnam ihme vorgewiesen / und ihn auch in blinden Zorn / wie wol er an dem Verbrechen kein Theil hatte / jämmerlich ermordet. Sein Weib hat er zu noch grösserer Bestraffung aufbehalten / und sich in dem Schloß mit den Waffen zu handhaben bedacht.

10. Er lässet die Bürger zu sammen fordern / giebet ihnen zuverstehen / welcher massen sein Herr Nicola die grösste Untreu an ihm erwiesen / in deme er doch seiner Treue dieses Schloß anbefohlen / und an seinen tapferen und pflichtschuldigen verhalten[709] keinen Mangel haben können. Weil er aber ein Tyrann / sey er eines Tyrannen Todes wehrt / und wolle er ihnen solcher massen zu völliger Freyheit behülfflich seyn /etc. Hierauf haben die Bürger geantwortet / daß sie über ihren Herrn nicht zuklagen / daß sie sich seines Verbrechens nicht annehmen / noch weniger solches zu straffen gedenken / daß die Freyheit bey zergliederten Zustande deß gantzen Landes ihnen mehr nach theilig als vortheilig seyn würde.

11. Wie nun dieser Schloß Haubtmann vermerket /daß die Sache in die harre nicht gut thun möchte /sendet er sein Vermögen durch zween vertraute Diener heimlich aus der Festung und gedenket denselben bald zu folgen: Diese aber lauffen zu Conrad deß entleibten Bruder / und erzehlen ihme / was sich mit Nicola begeben / und wie er jämmerlich hingerichtet worden. Gleichen Bericht erlangt er auch von der Bürgerschafft zu Nocera / und fügte sich also bald zu dem Constabel von Neapoli / mit Bitt ihme mit Volk bey zustehen / daß er den Schloß-Haubtmann bestraffen möge.

12. Nach deme er solches erlangt / und die Mauren der Festung besteigen wollen / hat der Haubtmann sein Weib mit gebundnen Händen und Füssen über die Mauren heraus geworffen / daß sie sich auf den Felsen / mit grossem Betrauren der Belägerer / zu tode gefallen. Conrad ist endlich in das Schloß gekommen / und hat diesen Mörder aus blinden Zorn /oder vielmehr aus gerechter Rache mit allen seinen Hülffgesellen gleichsfals niederhauen und zerstücken lassen. Also bringen es die Hurer und Ehebrecher (nach Sirachs Ausspruch) nicht auf die Helffte ihres Lebens / und nehmen ein Ende mit Schrecken.


Eiffersucht

ist verfluchte Leibes Frucht

wer sie einmal hat versucht

sich verflucht /

und wil mit untreuem Blut

leschen seiner Schmertzen Glut.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 706-710.
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