(XVII.)

Die entdeckte Verrätherey.

[55] Zu den betrübten Zeiten König Karls des IX. in Franckreich / war das Spiel so verwirrt / daß offt die nechsten Befreunden / wegen Irrung in der Religion die ärgsten Feinde waren: wie dann das Reich / welches mit ihm selbst uneins wird wůst werden / und ein Hauß über das andre fallen muß.

2. Zu besagter Zeit lebten Hernippe und Vivande zu Poitiers zwey verliebte / welche ein Hertz und ein Sinn waren. Nechst dieser Statt / welche dem König getreu verbliebe / war ein Edelmann (den wir Urbin nennen wollen) in einem Stättlein Gebietiger / welches sich wieder den König empöret hatte. Die Verwandschafft zwischen Urbin und Hernippe ware zwar nicht gar nahe / ihre Freundschaft aber / wegen Petronia deß Urbins Haußfrauen war genauer verstricket /weil sie Hernippe heuraten solte / und seine Mutter hatte in der zweyten Ehe / Urbins Vater gehabt. Daher nennet Hernippe die Petroniam seine Schwägerin und sie ihn ihren Schwager.

3. Urbin muste damals eine Belägerung außstehen /und wurde die Statt / in welcher er zu gebieten hatte /von deß Königs Volck ümgeben: deßwegen er seiner Freunde Hülff und Rath anruffet / und ist Hernippe der ersten einer gewesen / der ihm den Krieg angelegner seyn lassen / als seine Ehe mit Vivanda / hielte sich auch in allen Gelegenheiten so tapffer / daß ihn Urbin zu seinem Leutenamt machet. Als[55] sie einmals ausfallen / wird Urbin geschossen daß man ihn drey Tage hernach zu Grab tragen muste.

4. Hernippe tritt an seine Stelle und unternimmt das Regiment / welches ihn durch den Fürsten nachgehends bestettiget worden. Petronia verliesse sich auf niemand mehr / als auf Hernippe / welcher ihren Mann möglichsten Beystand geleistet und seinem hinterlassnen Sohn als ein Vormund vorstehen solte. Inzwischen aber zünden sich bey dieser Wittib die alten Liebsflammen wiederum an / und gabe sie ihres Hertzens Verlangen mit den stummen Worten der Augen und Geberden satsam zu verstehen. Hernippe stellet sich / als ob er der Sprache nicht kündig / in welcher er Vivanda zu antworten gesinnet war. Endlich bricht Petronia heraus und wird mit mehr Ehrerbietung / als Liebsneigung beantwortet: als sie aber anhielte entschuldigte er sich mit den Pflichten / welche ihn gegen Vivandam verbunden machten.

5. Dieses alles möchte so heimlich nicht gehalten werden / daß es der Vivanda solte verborgen bleiben /welche darůber eiferig ergrimmet / und Hernippe gebitt / er solte zu ihr verreisen / ungeachtet sie wuste /daß ihm der Ort anvertrauet / für welchem nemlich deß Königs Volck abgezogen / und daß sie auf Verweigerung müste für wahr halten / was von ihm und Petronia die Leute sagten.

6. Als sich nun Hernippe mit erheblichen Ursachen entschuldigte / und die höchste Unmögligkeit vorschützte / vermeint sie daß sie verraten / und die alte Liebe zwischen ihm und Petronia wider neu worden wer. Daher sucht sie sich mit gleicher Unbeständigkeit zu rächen / vnd erzeugte sie Beroso / der ihr benebenst Hernippe lange Zeit aufgewartet / günstiger und gewogner als vorhin / so gar daß ihre Verlöbnis angestellt / und zu werke gerichtet wird. Wie diese Zeitung Hernippe so frembd vorkommen / ist unschwer zu gedenken.

7. Inzwischen vergleicht sich der Fürst / welcher diese Empörung verursacht / mit dem König / und[56] Hernippe wird seiner Dienste erlassen / daß er nach Hause kommet / und der Vivanda ihre Unbeständigkeit persönlich verweist / mit wůrklicher Beglaubung / daß er Petroniam nicht begehre / und daß sie ein falscher Wahn / sonder Ursachen eifern machte.

8. Vivanda reuete ihr unbedachtsames verfahren /und beiammerte ihren gegenwertigen Zustand mehr als zu sagen ist. Als nun Petronia diese Hinternis ihrer Liebe aus dem Wege geraumet sahe / machet sie ihr neue Hoffnung / und bringt auch / (kurtz zu sagen) Hernippe darvon / daß sie beede eine recht glückseelige Ehe / in gleich verbundner Liebe besessen.

9. In dem brennet Vivanda von neuen / mit brünstiger Liebsneigung gegen Hernippe / und suchte böse mittel Berosum von ihr / und Petronium von ihm zu sondern: schreibet deßwegen vielfältig an Hernippe /ihn wieder gegen ihr zu bewegen / er wil aber diesen allen nicht nach gelehen / und seinem Weibe keinen Gifft beybringen / wie sie ihm an die Hand gegeben /und auch ihrem Mann zu thun versprochen.

10. Hernippe mahnet sie von so erschrecklichen Beginnen ab / und draut der Obrigkeit ihren Vorsatz anzuzeigen / wann sie dergleichen mit einem Wort mehr gedencken würde. Diese Antwort entrüstete Vivandam der massen / daß sie sich wegen solcher Verachtung zu rächen hoch geschworen. Welcher gestalt aber?

11. Sie lässet ihren Mann sehen / einen Bindel Briefe / welche ihr Hernippe geschrieben / bevor er mit Petronia verehlichet wird / und gibt für / daß sie solche in Neuligkeit empfangen / und bittet solche Schmache mit gewehrter Hand zu rächen. Berosus ein zorniger Mann / glaubet dieser Betrügerin / und fodert Hernippe auf den Platz / sich mit jhm zu balgen. Hernippe erscheint / und nach dem sie ohne fernern Wortwechsel zusammen gegangen / sieget Hernippe ob /daß Berosus das Leben von jhm bitten müsste / welches er ihm schenckte / und die Ursache solcher Befedung fragte.

12. Berosus vermeinte er habe eine gerechte[57] Sache / und weiset die Briefe / welche er mit eigner Hand an Vivandam seine Fraue geschrieben / als ihm er aber das Jahr und der Tag / welchen er zuvor nicht beobachtet / gewiesen wurde / benebens den Schreiben in welchem ihm seine Frau Gift beyzubringen versprochen / wurd er deß Betrugs überzeugt / die Verrätherey entdecket / und lässet er sein treuloses Weib in ein Gefängnis sperren / in welcher sie ihr Leben kurtze Zeit hernach elendiglich geendet.

13. Hierbey erinnere ich mich deß Sprichworts: Untreu trift seinen eignen Herrn / und daß der / so die Gruben fällt am ersten darinnen gefangen wird: Sonders zweiffel aus Göttlicher Verhängnis / der die Weißheit der Weisen / und die Klugheit der Ruchlosen zu schanden zu machen pfleget.

14. Falschheit hinckt auf zweyen Füssen:

Stützet sie sich kurtze Zeit

Wird sie doch bald fallen müssen /

Mit deß Trügers Spott und Leid.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 55-58.
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