(XXIII.)

Die Großmüthige Rache.

[73] Wann das angezündte Pulver keinen Lufft hat / so ist es gleich dem Winden / welche in den in den Erdenhölen eingefangen ein grosses Erdböben verursachen /aller massen zu ersehen / an den eingesetzten Pulver in den Sprenggrufften (mines) dardurch grosse Mauren niedergerissen werden.

Nichts ist feiger als ein Bauer / wann er allein ist /wann sich aber ihrer viel zusammen rotten / so machen sie ihnen Lufft / und rasen gleich dem Erdbeben / daß ohn unterscheid alles zu Grund richtet / daher die alten Teutschen gesagt: laß den Bauren ihre Kirchwey: gemach ins Dorff die Drescher haben getruncken.

2. Dieses hetten sollen beobachten die Soldaten deß Hertzogen von Alanzon / als sie aus Flandern nicht mit so guter Ordnung / als sie dahin gezogen /zu rucke kommen / und sich in der Piccardie bald dar / bald dorten eingeleget / »sondern Gehorsam und Kriegszucht / (discipline milita ire) ohne welche ein Herr[73] mit einem rasenden Menschen / der ein spitziges Messer in den Händen hat / von Vegetio verglichen wird.«

3. Unter vorbesagten war ein Haubtmann genannt Le Pont / der legte sich mit seinem Fahnen Fußvolck in das Dorf Brecourtin Picardie / und hauste auf gut Soldatisch / das ist / so übel als möglich. Von fressen und sauffen / ist nichts zu sagen / noch von Gelt erpressen und die Leute beschädigen / welche sie schützen solten: sondern von den Jungfrauen schwächen /und Weiber schänden / welches Laster mit der Füllerey pfleget verbunden zu seyn.

4. Der Haubtmann Le Pont hatte seine Einkehr in dem höchsten Hause / bey Albain einen Bauersmann /der ihm aufsetzte / was das Hauß vermochte: weil ihm bekant / daß diese art Teuffel / mit fasten nicht außzutreiben. Le Pont war ein viehischer Mensch / welcher seine Rede mit vielen Gottslästerungen zu zieren pflegte / und für eine Ehre achtete / alle Sünden und Laster ungescheut zu begehen. Alle Fülle an Speiß und Tranck war diesen Unmenschen zu wenig / und beklagt er sich ohn unterlaß.

5. Als er einsten wolgeessen / und nicht übel getrunken hatte / läst er sich gelüsten Mariam seines Wirts Tochter zu beschlaffen / und fängt mit ihr an zu handlen. Die Jungfer weiset ihn mit bescheidnen Worten ab / und entweichet / er eilt ihr mit seinen Rottgesellen nach / und als er das Wildpret gefangen /und mit guten Worten nichts von ihr erhalten kunte /verbringt er seinen bösen Willen mit Gewalt / und Beyhůlff seiner Soldaten / in Gegenwart ihrer Eltern /welche mit Bitten und Flehen vergeblich Widerstand zu thun vermeint.

6. Er lässet es auch bey dieser Barbarischen Schandthat nicht bewenden sondern weil sein Leutenamt und Fendrich auch Lust zum Handel / übergibt er sie ihren Willen: und Maria mit vielen Threnen sich beklagte / draut er / daß er sie allen seinen Soldaten wolle Vogelfrey machen / wann sie nicht schweigen würde.[74]

7. Maria wolte den Verlust ihrer Ehre nicht überleben / (wiewol sie die Jungfrauschafft deß Gemůts unverletzt erhalten) und als dieser Ehrendieb ein grosses Glaß an den Mund setzte / und heraus ziehen wolte /stosset sie ihm ein langes Messer in den Wanst / daß seine verfluchte Seele mit Wein und Blut heraus geflossen / und verübt also die keusche Maria eine großmüthige Rache.

8. Die Soldaten zerhauen diese Amazonin in Stücken / Albain entflieht / rufft die Nachbarschafft zusammen / und erzehlet ihnen die jämmerliche Begegnis seiner Tochter / mit ermahnen / daß ieder seinen Gast / welche meisten theils schlaffend mit Wein begraben waren / niedermachen solte. Welches dann auch erfolgt / und sind die meinsten mit den Mist- und Heugabeln gespisst / mit Flegeln erschlagen / und sonsten wie sie kunten getödtet worden.

9. Etliche welche sie gefangen / und mit ihren Lunden an Händen und Füssen gebunden / müsten folgenden Tag noch viel eines grausamern Todes sterben. Die Rache machte diese Rülpen sinnreich in Erfindung neuer Marter. Etliche wurden ertränkt / etliche von den Felsen gestürtzt / etliche lebendig begraben /etliche erschossen / gehengt / verbrennt / geschunden /geradbrecht / geviertelt / mit Zangen gerissen / und war keine Art zu sterben / welche diese Bauren an ihren Gefangenen nicht solten probiret haben.

10. Weh dir der du raubest / denn du wirst wiederumb beraubet werden. »Man wird dir messen mit der Maß / mit welcher du andern gemessen.« Daher gehört auch die von unserm Erlöser / der Natur eingeschaffne Regel: Was jhr nicht wollt daß euch die Leute thun / das thut ihnen auch nicht. Wer diese Geschicht mit den alten vergleichen wolte / solte die Mariam mit fug eine Jael und Judith nennen können. Albain hat gethan / was dorten der Virginia Vater bey den Römern / der aus dergleichen Ursachen der König Tarquin verjagt.[75]


11. Weiber sind nicht ausgeschlossen /

Von der Tugend Lobgenossen /

Manche hat ihr Blut vergossen /

Daß daraus viel Ruhms ersprossen.

Ihre Thaten sol man schreiben /

Daß sie bey der Nachwelt bleiben

Und dergleichen Heldin treiben.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 73-76.
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