(CXXVII.)

Der schwimmende Stein.

[437] Deß Menschen Verstand hat sich jederzeit in allen Elementen sinnreich erwiesen: In den Lüfften übet man das Federspiel; auf der Erden jaget man; unter der Erden gräbet man das Metall; auf und unter dem Wasser schwimmen die Schiffe und Menschen: massen Cornelius Trebel in Engeland eine Art Schiffe erfunden / welche unter dem Strom gehen / und auch die Muscheln und Perlen suchen können. Von den Luffthosen ist zu lesen in Daniel Schwenders Matthematischen erquickstunden / und sollen solche sonderlich zu dem schwimmen dienstlich seyn / von welchen wir nachgehends eine denkwürdige Erzehlung anfügen wollen.

2. Im Jahr 1627. als dem Herrn von Toiras die Festung in der Insel de Ré / unferne von Rochelle gelegen / anvertraut / und er mit den seinen grosse Noht darinnen gelitten / auch den Engeländern etliche Sturme abgeschlagen / und keine Zeitung aus deß Königs Läger für Rochelle haben kunte / wurd er willens seinen Zustand dahin zu berichten / und zu solchem Ende etliche Soldaten abzuschicken.

3. Die Engeländer hatten die gantze Insel /[437] ausser die Festung / alle Oerter wol besetzet / und ihre Schiffwachten bestellet / daß auf dem Wasser nicht fort zu kommen. Nach langer Berathschlagung fanden sich ihrer drey / welche erbötig waren in das Läger fůr Rochelle (so dritthalb Meil von der Insel / und in Abwesenheit deß Königs / dem Hertzog von Angoulesme anbefohlen war) zu schwimmen und schrifftlich oder mündliche Nachrichtung zu überbringen.

4. Diese drey wurden nun unverzögert abgefertiget / auf einen Abend aus der Festung gelassen / und als sie biß zu der eussersten Spitzen der Insel gewandert /haben sie sich außgezogen / die Briefe in blechern Bůxen an den Halß gehangt / und also zu schwimmen angefangen. Die zween sind bald ersoffen; der dritte aber Namens la Pierre / oder Peter ein Gasconier ist mit grosser Lebens Gefahr ůberkommen. Die Engeländer haben ihm mit einem Renn-Schifflein nachgesetzet / daß er sich vielmals müssen untertauchen /wie ein Taugerlein / und ihnen also entschwimmen.

5. Eine halbe Meilwegs hat ihn das Ungewitter sehr gehindert / und auch etliche Fische / der Regen /der Wind und ist er endlich so schwach zu Lande kommen / daß er sich nicht mehr aufrecht halten können / sondern auf allen Vieren / wie das Vieh daher kriechen müssen. Sein Hemmet welches er auf den Haubt / wie eine Schlafhauben gantz naß erhalten hatte / legte er wieder an / und beredete einen Bauren / daß er ihn in das Läger brachte / da er dann wol empfangen worden / seine Briefe sendete der Hertzog bey einer eignen Post dem König / welcher ihm jährlich 100. Kronen Einkunfften verehret / und kostbarlich beschenket.

6. Hierüber wurden nachfolgenden Inhalts Lateinische und Frantzösische Verse gemachet.


Hör Nachwelt was ich sag! es ist gewiß geschehen /

ob du gleich solche That vorzeiten nie gesehen.[438]

Ein Stein (la Pierre) schwimmt auf dem Meer und bringt dem Heere Post:

die Flut ist sein Getrank / der Nebel seine Kost

die Nacht und Todesfurcht hatt' ihn hieher geleitet /

und ihme Weg und Steg im Wellenfeld bereitet.

Wie jener (Quintus Curtius) in die Gruft der Erden sich gestürtzt /

aus Lieb deß Vaterlands / und dardurch abgekürtzt

den Faden seiner Tag': und wie Leanders Leben /

ob seiner Heros Lieb' / im Wellen wollen schweben /

so hat auch der Soldat / sich in das Meer gewagt /

das seinem Vaterland die grosse Treu behagt.

Neptun erstaunt hierob / und Colus ergrimmet /

daß dieser kůhne Mensch gleich Wasser Göttern schwimmet.

Er hat bey diesem Krieg den wolverdienten Preis /

man lobt die Helden That mehr / als Ulyssis Rais.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 437-439.
Lizenz:
Kategorien: