(CXXXVI.)

Die gezůchtigte Ehebrecherin.

[468] Wann die Unzucht in Gottes Wort nicht verbotten were / und uns die Erbarkeit solche zu meiden Ursach gebe / so solte doch ein jeglicher der sein eigenes Fleisch / welches niemand hasset / und sein Leib und Leben liebet / solches viehisches beginnen unterlassen: weil die Kräfften dardurch geschwächet / die natürliche Wärme außgeleschet / der Lebenssafft vertrucknet / der Verstand gemindert / und alle zeitliche Wolfahrt dardurch vernachtheilet wird. Daher gewiß /daß alle Thiere / welche der Unkeuschheit ergeben sind / ein gar kurtzes Leben haben. Durch die Unkeuschheit aber kan auch verstanden werden die Unkeuschheit / welche zwischen Eheleuten unmässig verübet wird: noch viel sträfflicher aber der Ehebruch[468] selbsten / welcher für den Augen Gottes ein solcher Greuel / daß der Allmächtige solchen mit zeitlicher und ewiger Straffe zu belegen pfleget / wie aus folgender Erzehlung ein sonderliches Exempel zu vernehmen seyn wird.

2. Friederich ein vornemer Herr in Frankreich / verliebte sich in eines andern Herrn Tochter / Namens Margreta (unter diesen erdichten Namen wird dieses in den Frantzösischen Traur Geschichten beschrieben) ein Fräulein von Schönheit deß Leibs und deß Verstands mit Warheitsgrund beliebt und belobt. Der Herr auch war einer von den reichsten und tapfersten in dem Lande / daß also die Gleichheit der Tugenden und deß Standes eine gluckliche Ehe verhoffen machte.

3. Viel müssige Umstände / wie Frederich erstlich dieses Fräulein gesehen / was er mit ihr geredet / wie er schrifftlich ümb sie geworben / etc. übergehen wir billich / und berühren allein / daß der Hochzeiterin Vater / als er seine Tochter besagtem Herren versprochen / folgende Nacht getraumet / er sehe sie von einem hungerigen Wolff zu Boden geworffen / als sie sich aber von ihm gerissen / und auf einen Felsen entflohen / hette sie sich von denselben herunter gestürtzet / und zu Tode gefallen. Ob nun wol dieser Traum etwas abscheulich / und dem guten Alten in dem Sinn lage / hat er sich doch die Heurats Handlung nicht wieder aufheben und sich solchen Schatten wollen hindern lassen: sondern sich vielmehr fůr glückselig geschätzt daß er seine Tochter so wol anbringen mögen.

4. Nach gehaltnen Beylager / welches prächtig /und solcher Herren Stand gemäß / hatten diese beede junge Eheleute so hertzliche und gleichgewillte Liebe / daß keines fast ohne das andre leben können. Es ist auch nicht zu zweiffeln / solcher Liebe woler gehen würde beständig seyn fortgestellet worden / wann Frederich hette zu Hauß bleiben können / und nicht dem damals aufflammenden Kriegsfeuer zu zu lauffen verbunden gewesen.[469]

5. Die Uneinigkeit hatte an etlichen Orten überhand genommen / weil theils aus dem Gottesdienst eine eusserliche Kirchenbegängnis / und eine Schuldigkeit gegen die Oberherren machen wollen. Diesem Unheil zusteuren / musste Frederich mit andern Edlen dem König zu Hülffe kommen / und seine Gemählin ohne Gehůlffen in einem einsamen Wittibstand verlassen / welcher ihr so viel unerträglicher / weil sie verehlichet / und zu andrem Ehegelůbd nicht schreiten mögen.

6. Ach was ist unbeständiger als Weiber Sinn / und was ist schwächer der Versuchung zu wiederstehen /als die Jugend! Dieses Fräulein war ihrem Hause wol vorgestanden / hatte ihren Herrn hertzlich lieb / und wusste sich nach seinem Kopf zu richten: So bald er aber ihr aus den Augen / und etliche benachbarte vom Adel bey ihr die Einkehr nahmen / ihr mit Höfligkeit aufwarteten / und ihr in der Einsamkeit / mit Spielen /Bulliedern / und kützlichen Gesprächen die Zeit vertrieben / ja fälschlich außgaben / ihr Ehe Herr were in dem Krieg erschossen worden / hat sie ihrer ehlichen Pflichte vergessen / und sich durch die sůndliche Fleisches Lust zu aller Ungebühr verleiten lassen: gestalt / nach deß Apostels Wort / die Lust / wann sie empfangen hat / die Sünde gebieret / die Sünde aber bleibt nicht lang ungestrafft / wie folgen wird.

7. Unter andern war ein Jüngling / welcher ihn als ein Edelknab bey der Margareta H. Vatern war auferzogen worden / Dieterich genennet / der wusste die alte und von Jugend auf getragene Neigung mit brünstiger Freundligkeit zu treiben / daß er Tags und Nachts in dem Hause / und der erste Haan im Korb war. Wer nun einmahl die Grentzen der Zucht und Tugenden übertretten / der scheuet sich nicht nach und nach böses zu thun / und gehet es nach dem Sprichwort: Der Wirt hangt den Zeicher wegen eines Gasts nicht aus. Dieses ärgerliche Leben konte der Nachbarschafft nicht verborgen seyn / und kame unter andern auch einem alten von Adel zu Ohren /[470] der Frederichs getreuer Freund war / deßwegen er ihn berichtete / wie seine Gemahlin ihre Zeit zu vertreiben pflegte / etc.

8. Frederich eiferte billich über solchen Schandleben / wolte doch dem Bericht allein nicht trauen / sondern eröffnet diesen Verdacht seinem verschwiegensten Diener und sendet ihn nach Hauß / jedoch ohne Briefe / zu erkůndigen / ob die Sache also beschaffen / wie er von seinem Freunde verständiget worden. Dieser Diener fande seine Fräulein mit ihren Bulen in der Karten spielen / und bey ihr übernachten / daß er aus dem / was er gesehen / leichtlich abnehmen konte / was geschehen / daß man ihn nicht sehen lassen: hinterbringen also seinem Herren sichere Nachrichtung.

9. Hierauf machet sich Frederich auf / und kommet mit etlichen von seinen Soldaten eiligst nach Hause /findet auch den vorbenamten Dieterich und etliche andre / so seine Stelle vertraten / mit seiner Gemahlin kurtzweilen: deßwegen er sie in Verhafft nehmen /und der Land Obrigkeit überliefern lassen. Nach deme nun ihrer drey / in dem Gefängnis deß Ehebruchs geständig gewesen / sind sie durch deß Henkers Hand enthaubtet / und ist Frederich auf Begehren deß Diederichs Haubt balsamire zugeschicket worden.

10. Dieser Herr war noch so wolthätig und gütig gegen seine Gemahlin / daß er sie uneracht bewusten Ehebruchs wieder annehmen wollen / wann sie versprechen würde / sich seiner künfftig zuhalten / und andre aus dem Sinn zu schlagen. Margarita aber hat ihn mit vielen Scheltworten beschimpfet / ihm die Schuld gegeben / daß er sie bößlich verlassen / und sich endlich entschlossen ihm nicht mehr beyzuwohnen / deßwegen Frederich auch erzörnet / ihr ihres Bulen Haubt gewiesen / und zu verstehen gegeben /daß sie nicht weniger den Tod verschuldet / als Dieterich ihr Ehebrecher.

11. Weil sie aber hierüber noch mehr ergrimmt /hat Frederich beederseits Freundschafft zu sich gebetten /[471] und nach verrichter Mahlzeit erzehlet / welcher massen diese seine Gemählin an ihme brüchig / sich mit andern vergriffen / die bereit deßwegen von der Obrigkeit gerichtet worden. Als Margarita solche Anklage vernommen / hat sie sich gantz rasend gestellet und mit Schänden und Schmähen ihre weibliche Wolredenheit hören lassen / ja dafür gelaugnet / deßwegen Friedrich das Haubt auf einer Schüssel bringen / und seiner Gemählin fürsetzen lassen.

12. Nach deme ihr nun die Befreunden beweglichst zugesprochen / ist sie doch halßstarrig in ihrem gefassten Haß verblieben / und hat ihren Herrn keines wegs üm Verzeihung bitten wollen: daß er endlich bewogen worden / seine Gütigkeit in Rache zu verwandeln / und diese Ehebrecherin in einen Turn / samt den Todten Kopf zu versperren: der Hoffnung sie durch solche Bestraffung zu Erkäntnis ihres Verbrechens zu bringen. Ist also zu zweiffeln / ob die Lindigkeit dieses Herrn / oder die Halßstarrigkeit seiner Gemahlin grösser gewesen.

13. Als nun Margarita den täglichen verfaulenden und abscheulichen Todtenkopf in ihrer Einsamkeit betrachten musste / und ihr wollüstiges Leben in beharrlicher Unlust verwandelt sahe / hat sie ihrem Herrn zwar sagen lassen / es sey ihr leid / daß sie an ihm so ehrvergessen mißhandelt / und bitte nun üm Gnade. Friederich aber sagte / daß die Sünde mit diesen Worten noch nicht gebüsset / und müsste sie sich länger bey ihres Ehebrechers Haubt gedulten etc. Diese Antwort vermehrte ihre Traurigkeit / und versprache dem Thurnhüter güldene Berge / er solte sie heraus lassen /welches er aber nicht willigen wolte / doch aus Nachlässigkeit / oder Geheiß / hat er die Gefängnis Thür offen gelassen / daß sie aus dem Zimmer / wo das Todtenhaubt war / in andre gehen können.

14. Dieser Thurn war auf einen hohen Felsen / und damals Winterszeit / und der Thal mit Schnee bedecket. Als nun Margarita sahe / daß sie auf freyen Fuß /entschleusst sie sich ihre viel Schmertzen mit einem Tod zu enden / oder darvon zu kommen: machet[472] also dieses Vorhabens das Creutz für die Stirn / und stürtzet sich über den besagten Felsen / in den weichen Schnee / der sie gerettet / daß sie nicht hart gefallen /doch sehr schwach auf allen vieren biß in ein kleines ödes Baurenhaus krichen können.

15. Wie aber kein Unglůck allein kommet / also fügte sich hier auch / daß diese schlechte Hütten nicht bewohnt / und zu Nachts von etlichen Raubern besuchet worden / die dann dieser müden und zerfallenen /in dem Angesicht aber schönen Weibs Person nicht verschonet / sondern die gantze Nacht ihren Mutwillen mit ihr getrieben / daß sie folgenden Tag den Geist aufgegeben: und ist also dardurch gestraffet worden / wardurch sie sich an Gott und ihrem Mann versündiget. Als Frederich solches verstanden / hat er sie sehr betraurt / und ihren Leichnam ehrlich begraben lassen.

16. Die der Höchste durch die Ehe verbunden hat /

wil der Satan durch der Wollust Missethat

zweyen / trennen / und aus bösem Fleisches Triebe /

in die Feindschafft wandlen vorn gepflogne Liebe.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 468-473.
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