(CXXXVII.)

Zweyer Weiber Mann.

[473] Von den Ehebrecherin kan füglich gesaget werden /was dort in dem Buch der Weißheit am 5. Cap. gelesen wird: Wir / sagen sie / haben uns müde gegangen auf dem Weg der Boßheit und deß Verderbens / und in unsrer Boßheit sind wir verzehret etc. Also ist die Liebes Lust deß Ehebrechers bald ermüdet / und die verdiente Straffe bleibt nicht aus: massen fast zu jeder Zeit der Ehebruch an dem Leben gestraffet worden /wie hiervon die Geistlichen und Weltlichen Rechte lehren. Die alten Teutschen eh sie zu dem Christlichen Glauben kommen / haben die Eheweiber / so sich lassen schwächen /[473] erwürgt und verbrennt / die Ehbrecher aber über der verbrenten Weiber Grab gehenket. Weil wir nun auf diese Sünde kommen / wollen wir der gezüchtigten Ehebrecherin einen Mann zweyer Weiber nachsetzen / und uns alsdann zu andren Geschichten wenden.

2. Ein Spanischer Rittersmann in Hispanien wonend in Valencia / von dem Geschlecht Veutimgilia bürtig / Namens Didaco / reich / höflich / freygebig /tapfer etc. daß er also einer von den vornemsten in dem gantzen Lande / verliebte sich in eine schöne Jungfrau eines Goldschmieds Tochter / dessen Gestalt und Verstand ihme dermassen wolgefallen / daß er kein Geld gesparet / sie zu seinem sündlichen Willen zu verleiten: musste aber erfahren / daß sie nicht weniger Tugend / als Schönheit / und daß kein Mittel zu ihr einzugehen / als durch die Thür deß Ehestandes.

3. Nach lang außgestandener Liebsplage / als er sahe / daß dieser Violenta Ehre nicht zu verkauffen /entschleusst er sich / sie zu heuraten / und wurde ihm die Jungfrau von ihren Eltern versprochen / und durch die Hand eines Dorfpfaffens / in beywesen der Eltern und deß einen Bruders getrauet / daß er also seinen Durst folgende Nacht begierigst leschen können. Zu morgens bate Violenta ihren Ehemann er solte ihr sagen / wie sie sich zu verhalten / und sich versichern / daß sie ihn die Zeit ihres Lebens als eine / und zwar leibeigne Magd / dienen wolte: massen sie sich der Ehre / welche sie von ihme empfangen / gantz unwürdig schätzte. etc.

4. Didaco sagte / daß diese Demütigung gantz überflůssig / er bitte aber allein dieses von ihr / daß sie die Verlöbnis ihres Ehestands / ein zeitlang geheim halten wolte / damit ihm solche bey seiner Freundschafft nicht nachtheilig seyn möchte / und zu solchem Ende gabe er ihr 200. Kronen nach belieben zu gebrauchen / und stille zu schweigen / er wolle /wo nicht alle Tage / jedoch alle Nächte sich zu ehlicher Beywonung einfinden und sie für sein Weib halten und erkennen:[474] So bald er aber seine strittige Händel für Gericht wůrde geschlichtet haben / wolte er sie nach Hause führen / und sich offentlich für ihren Mann dargeben.

5. Violenta glaubte seinen Worten / und beredet auch ihre Eltern / daß sie diese Verehlichung bey sich verbleiben lassen / ihren ansehnlichen Tochtermann nicht zu beleidigen. Ob nun wol die Nachbaren diesen Didaco in Verdacht hatten / daß er Violenta / als eine gemeine Dirne unterhielte / liessen sie sich doch dergleichen nicht vernehmen / sondern vermeinten / daß Didaco mit diesem Goldschmied einen andern Handel hette / und solches wärte Jahr und Tag.

6. Didaco aber erhandelt inzwischen eine andre Vermählung mit Namyrio Vigiliaracuta Tochter / die ihme an Stand und Reichthum gleich / beschleuniget auch die Sache dergestalt / daß die Hochzeit / und das Beylager volzogen / bevor es Violenta einträchtig werden können. Hat also sein erstes Weib verlassen /und ist der andern angehangen / deßwegen der Goldschmied sich mit seinem gantzen Hauß hertzlich betrůbet. Eine Rechtfertigung mit so grossen Herren anzufangen wolte ihm nicht thunlich fallen: Seine Tochter in Unehren zu sehen / war ihm gleichfals unerträglich / doch tröstete ihn / daß die Sache verschwiegen /und wenig Personen / welche ihre eigene Schande nicht sagen würden / wissend war.

7. Violenta hatte eine leibeigne Magd Namens Janika / welche sie in ihrem Unfall getröstet / und nach langer Beratschlagung / ihr eine Gelegenheit sich an Didaco zu rächen / für geschlagen / daß sie nemlich mit einem freundlichen Schreiben diesen Ehr- und Ehvergessnen Mann wider an sich ziehen / und alsdann ihn in dem Schlaf erwürgen solte / welches alles Violenta beliebt / und ihr die Geschencke und alles Geld /welches sie von Didaco empfangen / versprochen / sie solte ihr nur solchen Anschlag zu werke richten helffen.

8. Violenta schreibt ihrem Didaco einen sehr beweglichen Klagbrief / und beschwätzet ihn dahin /[475] daß er sich stellet / als ob er auf eines seiner Landgüter verraisen wolte / und nimmet seinen Weg durch etliche Gassen zu Violenta Behausung / bringt bey ihr den Tag zu / mit Wechslung vieler heuchlerischen Liebes Wort / und lässet sich von seinem ersten Weibe bereden / daß seine Liebe so tief in ihr Hertz gewurtzelt daß sie uneracht aller seiner Abneigung von ihr / ihme doch nicht abhold seyn könne / mit Bitte er solle sie noch einen kleinen Antheil seiner Gunsten haben lassen / und je zu Zeiten sich bey Nachts oder Tags zu ihr einfinden.

9. Didaco stellte diesen falschen Worten völligen Glauben zu / und verspricht alles was sie von ihm begehrte / und als der Abent herbey kame / giengen sie beede / wie vormals / zu Bette. Janika zoge also balden die Fürhange für / nahme deß Ritters Degen und Dolchen / und legte ihrer Frauen zwey lange und scharffe Messer / wie solche die Köche zu tragen pflegen / zu der Hand / stellte sich darauf als ob sie aus der Kammer gienge / und bliebe doch / genommener Abrede zu folge / darinnen.

10. Didaco vermeinte nun bey seiner Violenta allein zu seyn / und begunte sie zu küssen / und nur zu schertzen / welches sie alles / wieder ihren Willen /gedultig geschehen lassen: als er aber ferners verfahren wolte / hat sie ihn gebetten / er solte es biß gegen Morgen anstehen lassen / weil sie der Schlaff überfallen / und sie jetzo keinen Lust zu dem Handel habe. Didaco / welcher bereit bey seinem andern Weib die Brunst geleschet / liesse sich leichtlich darzu bereden / und legte sich auf die Seiten zu schlaffen.

11. Janika hatte einen Strick auf der rechten Seiten deß Betts gebunden / welcher dem Ritter über die beeden Armen gieng (daß / wann er aufwachen solte /sich doch nicht wehren möchte) und auf der linken Seiten zoge sie solchen Strick / auf der Erden sitzend /eussersten Kräfften an / daß also Violenta den Streich verrichten / und ihme die Gurgel abschneiden können / welches dann geschehen / und ist sie mit seinem Tod nicht vergnügt gewesen / sondern sie hat eine[476] Kertze anzünden lassen / ihme die Augen ausgestochen / als welche sie in dieses Unglück gestürtzet / die Zunge aus dem Rachen geschnitten / weil solche sie fälschlich betrogen / ja endlich hat sie ihme das Hertz aus der Brust gerissen / als die Ursache verübter Untreue. Uber das hat sie ihn noch mit vielen Stichen und Hieben verwundet.

12. Nach deme sie nun diesen Ritter besagter massen zermetzelt / hat sie seinen Leichnam samt den Augen / der Zungen / und den Hertzen mit hůlffe der Magd / zu dem Fenster hinaus geworffen / weil er nicht würdig gewesen / in einem so ehrlichen Hause zu übernachten. Ihrer Magd hat sie das versprochne Geld und die Kleinodien in einem Kästlein gegeben /und ihr gesagt / daß sie darmit entfliehen solte / welches sie auch / wie Bandel schreibt / gethan / Paulinus aber / der diese Geschichte in Lateinischer Sprache verfasset / sagt / daß sie ergriffen / und mit ihrer Frauen sey gerichtet worden.

13. Mit anbrechenden Tage / fanden die verübergehenden diesen unbekannten Leichnam auf der Gassen / und wähnten / daß er von Raubern / weil er in dem Hemmt ermordet worden; andre sagten daß er von andern aus Eifer sterben müssen: Violenta aber / als sie an dem Fenster solches hörte / gabe sich für die Todschlägerin dar / und bate man solte die Freunde Didaci holen / sie wolte diese Trauergeschicht ümständig erzehlen. Die Schergen hatten also bald Befehl / Violentam in das Gefängnis zuführen / da sie alles freywillig bekennet / und gebetten / man solte ihr nun /nach verübter Rache / auch das Leben nehmen / welches ihr nachgehends die Richter aus zweyen Ursachen abgesprochen: nemlich / weil ihr nicht gebühret /sich selbsten zurächen / zum andern / weil sie gar zu Tyrannisch mit dem todten Leichnam verfahren. Ist ihr also das Haubt für die Fůsse geleget worden / und meldet keiner / von obangezognen Scribenten / daß sie sich Christlich zu dem Tod bereitet.[477]


14. Wer ihm wil das Urtheil sprechen /

und sich selbst gedenkt zu rächen /

muß erfahren nach und nach /

und bereuen viel zu spat /

das was Gott gesaget hat:

Mein / und nicht Dein ist die Rach!

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 473-478.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Cardenio und Celinde

Cardenio und Celinde

Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon