Die Fremde

[69] Der düstre Hauch, der deine Stirn umweht,

der stille Zug, der um Erbarmen fleht,


das Zucken, das die Lippen dir bewegt,

hat wunderbar die Seele mir erregt. –


Dein Antlitz spricht von kaum verwehtem Leid,

verlornem Sinnen ist dein Blick geweiht,


wie welken Blumen, die die Häupter neigen,

scheint dir der Erde Sonnenlust zu schweigen.


Und doch! – Ein Etwas flammt noch von Verlangen,

ein Etwas will an diesem Leben hangen,


ein Etwas drängt nach ungefundner Lust –

o fändest du das Glück an meiner Brust!

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 69-70.
Lizenz:
Kategorien: