Morituri

[43] Es ist ein Ziel gesteckt, die Flagge weht –

roth ist ihr Tuch und golden ihre Sterne ...


Die Menschheit rollt auf ehernem Siegeswagen

dem Ziele zu. Das Hirn der Menschensöhne

spritzt um die Räder. Todesjauchzen gellt

wie Hoffnungsrufen durch die Morgennebel!


Ihr alle, die ihr zagt und nicht vermögt,

den Lorbeer um die Kämpferstirn zu winden

mit eigner, kraftbewusster Faust – die ihr

die Ketten spürt, doch sie nicht sprengen könnt –

das Ziel erkennt und doch zu eigner Qual

verzweifelt vor der Ohnmacht eurer Brust –

jauchzet den Rädern zu, die euch zerschlagen!

Mit Rosen schmückt die Haare! Brünstig werft

euch in die Bahn! Grüsst sterbend eure Herrin:

Heil, Hehre, dir, die du gen Morgen fährst! –
[44]

Das Jauchzen stirbt. Blutzeugen liegen stumm

am Wege. Ihre bleichen Häupter krönt

der kühle Glorienschein der frühen Sonne.

Verlorne Lorbeerblätter von der Stirne

der Göttlichen weht nun der Wind im Spiel

um der Gesunknen kalte Schläfen.

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 43-45.
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