[325] Odowalsky und Poniatowsky treten auf.
ODOWALSKY.
Da geht er wieder hin und grüßt uns nicht.
PONIATOWSKY.
Ist das was Neues? Doch, gerecht zu sein,
Er sah uns dies Mal nicht.
ODOWALSKY.
Das eben ists,
Was mich an ihm verdreußt. Er soll uns sehn.
Für einen heimatlosen Vagabonden
Geziemt sichs nicht, daß er uns nicht bemerkt.
Die Augen auf, mein Herr von Habenichts,
Den Hut herab gezogen, eh ich huste,
Und dann den Blick zur Erde hübsch gekehrt,
Um aufzuheben, was ich fallen ließ!
So sichert sich ein Bettler vor der Knute
Und mehrt dabei im stillen seinen Schatz.
PONIATOWSKY.
Da kannst du lange warten. Falle selbst
Und ruf ihn an, er reicht dir nicht die Hand,
Er sieht sich höchstens um nach deinem Diener
Und das nur, wenn du ihm im Wege liegst.
Schau dort den Mönch! Vor dem Gekreuzigten
In der Kapelle bückt er sich nicht tiefer,
Wie vor dem Junker mit dem Federhut.
Woher es ihm auch immer kommen mag,
Er hat die Art, die manchem König fehlt,
Den Mantel gleich so feierlich zu falten,
Daß er die Stirn nicht mehr zu falten braucht.
ODOWALSKY.
Das wüste Erbteil einer wilden Nacht,
Das einzge, was ihm blieb von seinem Vater,
Und diesen respektier ich gern in ihm,
Wenn ich nur auch die Mutter peitschen darf.
PONIATOWSKY.
Gleichviel, mein Freund! Man sieht nur, daß ers hat,
Und nicht, woher es stammt. Ich glaube selbst,
Daß seine Eltern ohne Papst und Kaiser
Die Hochzeit hielten und am nächsten Morgen
Verschwören könnten, daß sie sich gesehn!
Allein, was gilt die Wette? Tritt mit ihm[325]
In eine Schenke, wo man euch nicht kennt,
Und ruf nach Wein! Mit Diamanten laß ich
Dir die Schabracke sticken, wenn man ihm
Das Glas nicht bringt, das du für dich bestellt!
ODOWALSKY.
Ich zweifle doch!
PONIATOWSKY.
Was auch geschehen mag:
Er schaut darein, als hätte ers befohlen!
Teil Münzen aus, wirf Perlen auf die Straße,
Steht er dabei, so fliegen ihm die Mützen,
Du bist der Marschall, er dein gnädger Herr!
Sieh doch den Mönch nur an! Noch immer blickt er
Ihm nach!
ODOWALSKY.
Wer weiß, warum! Er wird vielleicht
An ein Gesicht erinnert, das er sich
Gemerkt hat, weil es doppelt gibt.
PONIATOWSKY.
Er kommt!
Buchempfehlung
Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.
246 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro