Fünfte Szene

[330] MARINA tritt auf.

Was gibts? Du bist erhitzt, mein Mütterchen,

Wer hat dich so in Zorn gebracht? Der Marder?

Hat er dein bestes Huhn gewürgt und schiltst du

Den Junker, daß er keine Fallen stellt?

Das ist auch wirklich schlecht!

MASCHINKA.

Der Fallen stellen!

Der Marder jagen!

MARINA.

Ist die Zeit vorbei?

Ei wohl, die Bären laufen jetzt vor ihm!

Doch, denk ich, wird er dir noch immer helfen,

Das Ei, das dir ein böses Huhn verlegt,

Für deine magre Küche beizutreiben,

Und wenn auch nicht aus Dank für deine Bissen,

So doch, weil man in einer alten Scheune,

Die man durchkriecht, so leicht den Hals sich bricht.

Nicht wahr, Demetrius? Wenn alles kracht,

Und unten jemand steht, der für uns zittert,

Das ist so gut, wie eine Bärenhatz.

DEMETRIUS.

Es zittert keiner mehr für mich!

MASCHINKA.

Der Lügner!

Er weiß recht wohl!

MARINA.

Ja, das ist undankbar!

Maschinka läßt den Eierkuchen fallen,

Wenn ihre Katze einen Sprung versucht,

Und soll nicht zittern, wenn ihr Pflegling klettert.

Mein Mütterchen, jetzt seh ich endlich ein,

Wie recht du hast, die Welt so arg zu finden

Und dich zu sehnen nach dem Jüngsten Tag.

MASCHINKA.

Ach!

MARINA.

Gilt es Ernst? Da halt ich gleich Gericht.

Wo ist ein Stuhl? Verklagter hole einen,

Das sei die Strafe seines bösen Leumunds,

Praesumptio ist immer gegen ihn.

Ja, ja, ich kann Latein! Auch hab ich mir

Die Miene wohl gemerkt, womit mein Vater

Am weitsten bei mir kam, wenn er mich schalt,[331]

Und werde Reu und Leid zu wecken wissen!

Das Leugnen hilft dem Sünder hier zu nichts,

Er ist bekannt, er hat sich einst sogar

An unsrer eigenen Person vergriffen

Und uns an unserm langen Haar gezupft.

Es war den Tag, wir merktens uns genau,

An dem wir unsre vielgeliebte Puppe

Verstießen, und wir nahmens gleich als Strafe

Der Grausamkeit und habens still verziehn.

Doch immer zeigte es ein arges Herz,

Und Klägerin wird gläubge Ohren finden,

Wenn der Beweis ihr auch nur halb gelingt.

So sprich, was gibts? Mit Olga stehts doch wohl?

MASCHINKA.

Du fragst doch noch! Der sah sie sieben Tage

Schon nicht und hat es nicht einmal bemerkt.

MARINA.

Ich auch nicht, Mütterchen!

MASCHINKA.

Du hast das Recht,

Du bist des ersten Woiwoden Tochter

Und zeigst dich uns schon gnädig, wenn du nicht

Den Küster schiltst, der dich im Schlummer stört,

Weil er uns in der Früh zu Grabe läutet,

Und wenn du dem, der uns verscharren will,

Die Zeit vergönnst, die dazu nötig ist.

MARINA.

Maschinka!

MASCHINKA.

Willst du beide überdies

Für ihre Müh durch einen Trunk belohnen,

So sollst du doppelt mir gesegnet sein!

Doch dieser, der im nächsten Türkenkrieg

Erst Arm und Bein gelassen haben muß,

Bevor dein Vater einen Kastellan

Und einen Torwart aus ihm machen kann,

Ja, dieser, dächt ich, könnt es wohl bemerken,

Wenn meine Olga sieben Tage fehlt.

Das arme Kind hat täglich nachgefragt

Und wird zuletzt noch wirklich krank. Was red ich?

Zuletzt wirds noch gefährlich, wollt ich sagen,

Weil sie sich ärgert, daß der Hochmut hier

Den Falken gleich vermißt, der sich verfliegt,[332]

Doch sie in sieben langen Tagen nicht!

Heut morgen zog ich Kleider von ihr an,

Als hätt ich sie beerbt, dies Tuch hier ist

Von ihr, und auch die Schürze! Doch, was halfs?

MARINA.

Verteidigt Euch, Demetrius!

DEMETRIUS.

Sie sagt

Die Wahrheit. Ja, ich habe ihre Olga

In diesen sieben Tagen nicht vermißt

Und kann auch sieben Jahre sie entbehren!

MASCHINKA.

Kannst du? Ei wohl! Hier steht die Palatina,

Und die ist freilich vorzuziehn. Darf ich

Sogleich die Werbung machen? Fürstin, schau,

Du hast die Huld und Gunst so vieler Jahre

An diesen Edelmann nicht weggeworfen,

Er reicht dir jetzt zum Dank dafür die Hand!


Ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 330-333.
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