Schönheitsprobe

[312] Wie läßt die echte Schönheit sich erproben?

Wohl einzig an dem selbstbewußten Frieden,

Der sie umfließt, weil sie sich wie geschieden

Von allen Kämpfen fühlt, die sie umtoben.


Ihr steht er, wie ein Sternenkranz von oben,

Den, da sie ganz den innern Zwist gemieden,

Der alles Uebrige verwirrt, hienieden,

Die ew'ge Mutter selbst für sie gewoben.[312]


Doch wehe ihren Afterschwestern allen,

Die ihr nicht gleichen und sich selber krönen,

Weil Faun und Satyr ihnen Beifall zollen!


Sie können nur, wenn sie sich nicht gefallen,

Mit ihrem halben Dasein uns versöhnen,

Nur, wenn sie zeigen, daß sie weiter wollen.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke, Berlin [1911 ff], S. 312-313.
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