Die Ilse

[175] Ich bin die Prinzessin Ilse,

Und wohne im Ilsenstein;

Komm mit nach meinem Schlosse,

Wir wollen selig sein.


Dein Haupt will ich benetzen

Mit meiner klaren Well',

Du sollst deine Schmerzen vergessen,

Du sorgenkranker Gesell!


In meinen weißen Armen,

An meiner weißen Brust,

Da sollst du liegen und träumen

Von alter Märchenlust.


Ich will dich küssen und herzen,

Wie ich geherzt und geküßt

Den lieben Kaiser Heinrich,

Der nun gestorben ist.


Es bleiben tot die Toten,

Und nur der Lebendige lebt;

Und ich bin schön und blühend,

Mein lachendes Herze bebt.


Komm in mein Schloß herunter,

In mein kristallenes Schloß.

Dort tanzen die Fräulein und Ritter,

Es jubelt der Knappentroß.


Es rauschen die seidenen Schleppen,

Es klirren die Eisenspor'n,

Die Zwerge trompeten und pauken,

Und fiedeln und blasen das Horn.
[175]

Doch dich soll mein Arm umschlingen,

Wie er Kaiser Heinrich umschlang; –

Ich hielt ihm zu die Ohren,

Wenn die Trompet' erklang.
[176]

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 175-177.
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