3.

[290] Herr Olaf, es ist Mitternacht,

Dein Leben ist verflossen!

Du hattest eines Fürstenkinds

In freier Lust genossen.


Die Mönche murmeln das Totengebet,

Der Mann im roten Rocke,[290]

Er steht mit seinem blanken Beil

Schon vor dem schwarzen Blocke.


Herr Olaf steigt in den Hof hinab,

Da blinken viel Schwerter und Lichter.

Es lächelt des Ritters roter Mund,

Mit lächelndem Munde spricht er:


»Ich segne die Sonne, ich segne den Mond,

Und die Stern', die am Himmel schweifen.

Ich segne auch die Vögelein,

Die in den Lüften pfeifen.


Ich segne das Meer, ich segne das Land,

Und die Blumen auf der Aue.

Ich segne die Veilchen, sie sind so sanft

Wie die Augen meiner Fraue.


Ihr Veilchenaugen meiner Frau,

Durch euch verlier ich mein Leben!

Ich segne auch den Holunderbaum,

Wo du dich mir ergeben.«


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 290-291.
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