2.

[289] Herr Olaf sitzt beim Hochzeitschmaus,

Er trinkt den letzten Becher aus.

An seine Schulter lehnt

Sein Weib und stöhnt –

Der Henker steht vor der Türe.


Der Reigen beginnt, und Herr Olaf erfaßt

Sein junges Weib, und mit wilder Hast

Sie tanzen, bei Fackelglanz,

Den letzten Tanz –

Der Henker steht vor der Türe.


Die Geigen geben so lustigen Klang,

Die Flöten seufzen so traurig und bang!

Wer die beiden tanzen sieht,

Dem erbebt das Gemüt –

Der Henker steht vor der Türe.


Und wie sie tanzen, im dröhnenden Saal,

Herr Olaf flüstert zu seinem Gemahl:

»Du weißt nicht, wie lieb ich dich hab –

So kalt ist das Grab –«

Der Henker steht vor der Türe.


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 289-290.
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