Den Feinden

[149] O wären wir ihr Verderben,

O wären wir Rächer der Schmach,

Wie selig wollten wir sterben,

Wenn unsre Feder einst brach!

Wenn einst das Haupt uns zur Erde

Im andern Jahrhundert sich beugt,

Wie herrlich, wenn unser: Werde!

Die blühende Menschheit bezeugt!

Wir sind die Scheide der Welten,

Wir sind die Wende der Not,

Schwarzpurpurn ob unsern Zelten

Sturmbannert Leben und Tod.

Der Tod, das ist das Versinken

In ekler Wirbel Getos,

Das Leben, das ist das Trinken

Aus schimmernder Ströme Schoß.[149]

Wie schleudern die Wirbel uns gräßlich!

Besinnung und Sehkraft zerschellt.

Der Irrsinn treibt unermeßlich

Sein Spiel mit der keuchenden Welt.

Doch aus unterirdischen Gründen

Fährt mit Getöse die Schuld,

Weltenbrand zu entzünden

Den Schuldigen wahnumlullt.

Es rennt die feurige Schlange

Der knisternden Glut ohne Ruh

Mit unbezwinglichem Zwange

Dem neuen Ozean zu.

O Weltmeer, winkendes Weltmeer

Der hochaufrauschenden Lust,

Wo keine Verzweiflung gellt mehr

Besudelter Menschenbrust!

Wo kein verruchtes Betrügen

Die Liebeseinheit zerstört,

Wo dem Schönheitsschwung sich zu fügen,

Kein Selbstling plump sich empört ...

Wo freie Menschen krönen

Des Lebens heiliges Spiel ...

Sing, meine Seele, dem schönen,

Dem weltverjüngenden Ziel!

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 149-150.
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