Schach dem Schicksal!

[166] Ricordando alla marcia


Spiele noch einmal das Stück,

Spiel die Weise deines Lebens,

Ist zersprungen auch dein Glück

Und der Traum der Kraft vergebens!

Träume, träume dich hinein,

Sei der junge Quell der Lieder

Und vergiß die starre Pein,

Die dich steinern drückt danieder!

Hörst du, wie die Freiheit weckt

Durch die nächtlich öden Gassen,

Siehst du, wie vom Klang erstreckt,

Wesen, die die Freiheit hassen,

Ängstlich, winselnd, scheu sich drehn

Und in alle Winkel stieben,

Wie sie blöden Blickes sehn,

Was die neuen Menschen lieben?

Spiele noch einmal das Stück,

Spiel das kühne Lied der Frühe,

Spielmann, spiel dich selbst zurück,

Glüh empor im Traum, erglühe![167]

Bist du tot? O nein, du lebst,

Rufen alle deine Brüder,

Und du zitterst und du bebst:

Wache auf, du Lebensmüder!

Wache auf! Die Freiheit ruft:

Willst du wirklich mich verlassen?

Musen, die ihr ihn erschuft,

Helft, o helft ihn stark umfassen!

Schach dem Schicksal! Reiß das Buch

Deines Mißgeschicks zunichte,

Überwinde deinen Fluch

Und am Lied der Zukunft dichte!

Greif die Weise noch einmal,

Durch die Grundakkorde wühle,

Deiner dumpfen Eigenqual

Schreckensbann von hinnen spüle!

Bist du tot? So wachs empor

Aus des schwarzen Sarges Wänden,

Um dein Haupt der Schwermut Flor,

Doch das Schwert noch in den Händen –

Vorwärts, vorwärts, nie zurück,

Süßer Marschtakt neuen Lebens ...

Ist zersprungen auch dein Glück,

Und der Traum der Kraft vergebens.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 166-168.
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