Zehnter Auftritt.

[196] Rittersaal, durch welchen man in das zweyte Zimmer sieht, welches schwarz behängt ist; wenn man die Vorhänge öffnet, sieht man ein Paradebett, worauf Agnese von Boodsheim liegt. Ritter Boodsheim. Günther wird gefesselt von seinen Knappen hereingeführt. –


BOODSHEIM öffnet den Vorhang. Sieh, Bösewicht! dieß ist dein Werk!

GÜNTHER. Ritter! bey Gott! ich verstehe euch nicht – aber ich ahnde die schreckliche That, die ihr mir aufbürden wollet, und ich bin unschuldig.

BOODSHEIM. Blick hieher, Verruchter! auf diese unschuldig Gemordete, und fühle das Gräsliche deines Bubenstückes! du verführtest sie, als sie bey meiner Schwester in Wien war; schlichest dich um meine Burg, als sie zurückkam, ohne es wagen zu dürfen, meine Burgschwelle zu betreten – da Sie deinen sträflichen Wünschen nicht Gehör gab, tödtetest du sie durch schnelles Gift – und verbitterst so grausam die letzten Lebenstage des gebeugten Vaters.

GÜNTHER. Ich erstaune über eure Vorwürfe! Ritter! Seit sieben Jahren bin ich entfernt von meinem Vaterlande – noch sind nicht 3 Monden verflossen, daß ich von Palästina zurückkam – ich kannte eure Tochter nicht. – Blicket mich an, und ihr werdet sehen, daß ich nicht der Bösewicht bin, der die Freuden eures Lebens euch raubte.

BOODSHEIM. Ihr meine Getreuen! entscheidet zwischen mir und diesem Manne! Ihr sahet ihn oft, als ich ausgezogen war, mit meiner Tochter sprechen – redet – ist er nicht der Mörder?

ERSTER KNAPPE. Er ist's! Wir kennen ihn!

GÜNTHER. Beginnt mit mir, was ihr wollt' – aber noch einmal erneure ich meinen Schwur: daß ich unschuldig bin.

BOODSHEIM. Meine Langmuth hat geendet – damit du aber siehest, daß ich nicht als tief gekränkter Vater, sondern als gerechter Richter hier stehe, so gönne ich dir eine Stunde Bedenkzeit. – Knechte! führt ihn in's Verließ. – Die Knechte umgeben ihn.

GÜNTHER. Ritter! ihr behandelt mich wie einen Troßbuben – aber zittert, wenn die Stunde meiner Rache schlagen wird. Er wird von den Knechten abgeführt. Boodsheim ab.


Quelle:
Die romantisch-komischen Volksmärchen. Leipzig 1936, S. 196-197.
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